■ Urdrüs wahre Kolumne: Publikumswirksame Veranstaltung folgt
Ab heute hat er wieder mehr Zeit für Münzsammlung, Vivaldi, Cognac und was dergleichen Altherren-Vergnügungen mehr sind, der Ex-Senator für Kultur, Inneres und Turnen, Bernt Schulte. Vielleicht findet sich jetzt endlich Zeit, die antiquarisch erworbene Erstausgabe von Bismarks „Gedanken und Erinnerungen“ zu lesen, während Nachfolger Kuno Böse noch bangt, ob der Hanseaten-Darsteller Hartmut Perschau als Zwischenlösung ihm tatsächlich im August den Sessel freimacht. „Per aspera ad astra“, rufen wir dem noch taufrischen Ruheständler Schulte zu und erinnern daran, dass das Bewirtschaften einer Parzelle sehr viel mehr mit Kultur, Leibesübung und einer geziemenden Ordnung der Dinge zu tun haben kann als die Verwaltung moralischer und sozialer Defizite. Das Düngen und Gießen nicht vergessen, damit der grüne Daumen zucken kann!
Peggy Xyländer, das klingt charmant und anspruchsvoll, cool und doch nicht übertrieben kühl: Damit unsere Hoffnungen nicht schon im Ansatz verdorren, dass eine Ausländeramtsleiterin mit einem so gediegenen Namen nicht einfach die Geschäfte ihrer Vorgänger fortschreibt, sollte sie doch bitte schön die Kehrtwende in der peinsamen Angelegenheit mit den gefälschten falschen Libanesen hinbekommen. Ich warte doch von Mensch zu Mensch nur darauf, alte Erbfeindschaften begraben zu können!
Wie biegsam geltende Gesetze sein können, wenn sich Koofmichs und ihr Staat zusammentun, belegt die senatorische Absicht, verlängerte Öffnungszeiten im City-Einzelhandel ausgerechnet zum Start des in den Stadthallen von Verden, Walsrode und Rotenburg/Wümme bereits abgenudelten Mjusicals HAIR zu genehmigen. Falls Ver.Di diese Überstrapazierung des Begriffs „Publikumswirksame Veranstaltung“ nicht mit allen Mitteln von Boykott und Streik bis hin zur außerplanmäßigen Funktionsprüfung der Sprinkleranlagen verhindert, kann sich der Gewerkschaftsgigant schon mal ausgestopft als Dinosaurier-Präparat für den Heidepark Soltau zur Verfügung stellen.
Mittwochnachmittag im Freibad. Am Kinderpool verabschiedet sich die eine der beaufsichtigenden Mütter derart plötzlich aus dem Kreis ihrer Schicksalsgefährtin-nen um den runden Gartentisch, dass die verwundert fragen: „Warum gehsten schon, Tanja? Sieht doch noch gar nicht nach Regen aus, und Kuchen ist auch noch da...“ Die Antwort verrät, wie sehr Betroffenheit im Herzen des Volkes verankert ist. „Gibt doch jetzt die Trauerfeier für Hannelore Kohl live... So was schau ich mir immer zu gerne an!“
Eine hiesige Muckibude lockt den Kreis einschlägig disponierter Masochisten mit den Worten „Sommer – Schwitzen – kostenlos!“ an die Geräte, verlangt dann aber eine Pauschale von 50 Eisen für die „fachliche-sportwissenschaftliche Einweisung“. Was nunmehr einen sich düpiert fühlenden Interessenten an gebührenfreier Leibesertüchtigung unter Auslobung eines Bieres zu der Bitte veranlasste, mich über diesen himmelschreienden Skandal in der Zeitung zu äußern. Was hiermit auftragsgemäß geschehen ist. Prost denn auch!
Schön, wenn Zeitungen ihren Kunden Gelegenheit geben, sich via Leserbrief öffentlich zu äußern. Schlimm aber, wenn das Publizieren solcher Eingesandts erkennbar nur mit dem Ziel geschieht, den Verfasser als verwirrten Pechvogel im Umgang mit der deutschen Sprache vorzuführen – so wie das jetzt im Weserkurier mit dem Brief eines Michael D. aus Oyten geschah: „Diesbezüglich kann ich mich nicht des Eindrucks erwehren, dass die PDS es mit dem Bedauern vielleicht gar nicht so ernst meint. Denn was sollte an einer Entschuldigung, in der man zum Ausdruck bringen würde, dass man sich für das Leid, das den Opfern im Namen des Sozialismus angetan worden war, entschuldigt, so schwer sein?“ Zum gebührenpflichtigen Redigieren solcher Sätze nach Form und Inhalt empfiehlt sich
Ulrich „Gern geschehen“
Reineking
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