: Schwarze Schafe und Schwarzarbeiter
■ Entwürfe für ein Landesvergabegesetz gibt es von zwei Parteien. Ob Bremen tatsächlich ein Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Dumpinglöhne bekommt, bleibt trotzdem fraglich
Die Hackordnung auf Bremens Baustellen ist an den Helmen erkennbar: Bei der Messehalle VII tragen Polen weiße Helme und Türken gelbe. Gut zwei Dutzend sind es insgesamt. Die beiden deutschen Kollegen dagegen haben keine Helme: Der Polier sitzt gerade im Container, und der Baggerfahrer tuckert ohne durch den Sand. Ein inzwischen üblicher Nationen-Mix, weiß Klaus Rahns von der IG Bau. Jetzt guckt er von oben in die Baugrube. Weiße Helme schichten gerade weiße Steine zu Mauern. Reden kann Rahns nicht mit den Polen, er darf nicht runter. Muss sich vorher ein OK der Pressestelle holen, bei der heute aber nur der Anrufbeantworter rangeht. Doch selbst wenn Rahns mit ihnen reden darf, sprechen seine „ausländischen Kollegen“ kaum über das, was ihn interessiert: Gehalt und Vertrag. Die IG Bau vermutet Dumpinglöhne. Immer mal wieder finden sie auf Bremens Großbaustellen Kollegen, die die weit unter dem Mindestlohn von 18 Mark und ein paar Pfennig arbeitet. Türken und Polen, die manchmal nur die Hälfte kriegen. Und auf deren Rücken die Firmen dann billige Angebote vorlegen können, den Zuschlag kriegen, aber die Preise kaputt machen. „Eigentlich eine Mafia“, meint Gewerkschafter Rahns.
Dabei boomt Bremens Bauwirtschaft: Messehalle, Space Park, Hemelinger Tunnel, diverse „Powerbaustellen“ in der Obernstraße, am Langen Jammer etcetera. Im Arbeitsamt allerdings merkt man wenig von der Bauwut. Die Arbeitslosigkeit unter Bremens Bauarbeitern ist trotz Powerbaustellen unverändert hoch. Knapp 1.300 sind zur Zeit arbeitslos gemeldet. Von Kurzarbeit ganz zu schweigen. In Niedersachsen ist inzwischen jeder vierte Bauarbeiter arbeitslos. Angeheuert werden dagegen immer mehr Billiglöhner. „Über Ausländerfeindlichkeit muss sich da keiner mehr wundern,“ klagt Rahns.
Hoffnung setzt er inzwischen in die Bremer Grünen. Sie wollen ein Landesvergabegesetz, das dafür sorgen soll, dass Aufträge der öffentlichen Hand nur noch an die Firmen gehen, die sich an die Tarife halten. „Die öffentliche Hand muss mit gutem Beispiel voran gehen“, fordert die grüne Anja Stahmann. Erst kürzlich flog auf, dass bei den Bauarbeiten zum Börsenhof ein polnischer Eisenträger nur sieben Mark die Stunde verdiente. „Richtig peinlich“, fand das die Abgeordnete Stahmann – Sklavenlöhne ausgerechnet beim Parlamentsgebäude. Solche schwarzen Schafe könnten mit einem Landesvergabegesetz für zwei oder drei Jahre keine Aufträge mehr kriegen.
Wie viel Erfolg der Grünen-Antrag hat, wird sich allerdings noch zeigen. Die SPD hat zwar einen ähnlichen Gesetzentwurf ebenfalls fertig. Schließlich haben die GenossInnen auf einem Landesparteitag selbiges schon vor Jahren einstimmig gefordert. Trotzdem schlummert der SPD-Entwurf seit Monaten in den Schubladen. Denn mit der CDU sei das in Bremen nicht zu machen, heißt es.
Während andere Konservative in Bayern, Saarland, Berlin und Sachsen-Anhalt deutlich weniger Vorbehalte gegen ein Landesvergabegesetz haben, stemmt sich die Bremer CDU hartnäckig gegen die Gesetzesinitiative. „Das ist erstmal ein Prinzip, das vor allem die Preise am Bau erhöht“, fürchtet der baupolitische CDU-Sprecher Helmut Pflugradt. Schließlich sei Bremen ja ein Land, das nicht einfach aus dem Vollen schöpfen könne. Außerdem gelte solch ein Gesetz ohnehin nur für die ganz großen Aufträge.
Space Park. Krähne hängen in der Luft. 130 Türken arbeiten dort, wohnen dort in langen Blech-Containerreihen ohne Fenster, aber mit Satellitenschüssel. Die Farben sind beim Spacepark anders verteilt. Türken tragen auf der Riesenbaustelle blaue Helme, die Poliere weiße. Und keiner von den Türken hat je ein Wort über seinen Verdienst gesagt, weiß Gewerkschafter Rahns. 20 Mark die Stunde sollen sie offiziell kriegen, und inoffiziell gleich wieder horrende Abzüge für Container-Miete und Essen zahlen müssen, argwöhnen Kollegen von Nachbar-Baustellen. Vor zwei Wochen waren Kontrolleure vom Zoll da. „Die Werksverträge waren in Ordnung“, erklärt Koordinator Oliver Dorn. Von Mieten habe man nichts gefunden. Aber oft gebe es noch ganz andere Tricks. Zum Beispiel Rückzahlungen an die Firmen, sobald die Ex-Arbeiter wieder in der Heimat seien.
Vor 20 Jahren, erinnert sich Rahns, sei das undenkbar gewesen. „Da hätten die Arbeiter vorm Fabriktor für Tariflohn protestiert.“ Nicht mit mir, Chef, hätte es geheißen. „Heute fürchten alle um ihren Arbeitsplatz.“
Nach der Sommerpause wird sich zeigen, ob Bremen ein Landesvergabegesetz bekommt. Dann wird der Grünen-Antrag in der Bürgerschaft debattiert. „Ich habe den Eindruck, dass die Ablehnung jetzt aufweicht,“ so Carsten Sieling, der baupolitische Sprecher der SPD. Mit der CDU werde man sich jetzt ohnehin verständigen müssen, wie man auf den Grünen-Entwurf reagiert. Als letzte Hoffnung bleibt noch die Bundesregierung. In Berlin wird im Moment geprüft, ob man die umstrittene Tariftreue im Vergabegesetz festschreiben kann. Im Herbst werden erste Ergebnisse vorgestellt. Dorothee Krumpipe
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