strafplanet erde: gutes buch über gutes tun von DIETRICH ZUR NEDDEN:
Wie mir erst vorgestern bekannt wurde, als ich durstig vor verschlossener Tür stand, haben sie das „Finnigan’s Wake“ dichtgemacht. Kein Pub aus der Erlebnisgastronomiehölle, sondern ein mild diffuses Etablissement, wo man sich sofort wohl fühlte, sogar wenn man der einzige Gast gewesen sein sollte, der den Bestseller von Joyce nicht gelesen hat.
Dafür habe ich letzte Woche eines von diesen sich gut verkaufenden, im Allgemeinen in der Rubrik „Frauenroman“ geführten Büchern gelesen, ach was, verschlungen: „How to be Good“, das neue Buch von Nick Hornby hat mir gut gefallen. Eine Frau erzählt. Katie Carr ist Ärztin beim National Health Service, ihr Mann David ein mehr oder minder erfolgloser Autor, der es liebt, fies, zynisch und grob zu sein, und in diesem Stil schreibt er auch seine regelmäßige Zeitungskolumne („Der zornigste Mann von Holloway“). Zwei Kinder komplettieren die Familie. Weil nun der bürgerliche Roman ohne Ehebruch überhaupt nicht denkbar wäre (vgl. Leo N. Flauberts „Madame Karenina“), stolpert Katie, müde von Zwist und Gezänk, nach zwanzig monogamen Jahren in eine Affäre. Anlass für sie, über Sex nachzudenken: Der Unterschied zwischen Sex mit dem Ehemann und Sex mit dem Liebhaber sei wie der Unterschied zwischen Wissenschaft und Kunst. „Mit dem Liebhaber ist es Empathie und Einfallsreichtum und Erkunden und der Schock des Neuen und was dabei herauskommt ist . . . ungewiss, wenn Sie verstehen, was ich meine.“ Der Ehemann dagegen „drückt einen Knopf, dann einen anderen, und – Bingo! – es passiert. Es ist so romantisch, wie einen Fahrstuhl zu bedienen, aber wenigstens genauso effektiv.“
Plötzlich bricht der Frieden in den täglichen Kleinkrieg, als David einen Wunderheilpraktiker namens DJ GoodNews (jawohl, mit Binnenmajuskel) kennen lernt. Fortan will David nicht mehr boshaft sein, sondern Gutes tun, die Welt verbessern und damit im Kleinen anfangen. Katie und ihre Schuldgefühle geraten mehr und mehr in Verwirrung, ihr Mann leider in manchen Passagen zur Karikatur. Am Ende richtet sie ihr Leben neu ein, ohne die Kleinfamilienbande zu verlassen; David arbeitet an einem Ratgeber mit dem Titel „How to be Good“.
Hornby, gewohnt komisch und lakonisch in etlichen treffenden Beobachtungen und Dialogen, in anderen Szenen ungewohnt rührend, gibt das Alltagsporträt von Menschen um die vierzig, deren Einkommen man nach dem Postzustellbezirk taxieren kann, in dem sie wohnen. Ihre Not, ihr Nicht-weiter-Wissen fühlt sich anders an als zum Beispiel das von Katies Patienten, von denen man einigen begegnet.
Ich bin mir nicht sicher, ob es ein guter Roman ist, „gut“ im Sinne von wichtig, im Sinne von Weltliteratur, und garantiert werden viele urteilen: „Nicht so gut wie ‚High Fidelity‘ “; andere werden einem ein Gespräch aufzwingen über neue Ernsthaftigkeit, Post-Spaßgesellschaft, Gutmenschentum (setzen Sie das Schlagwort ihrer Wahl ein); wieder andere müssen’s halt noch mal mit „Finnigan’s Wake“ versuchen. Ich bestimmt nicht.
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