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Raffzahn kündigt Rache an

■ Morgen startet der Hamburger SV gegen Energie Cottbus in eine schwere Bundesligasaison

Ginge es um ein Duell der großen Worte, hätte Energie Cottbus bereits gewonnen. Im Vorfeld des Bundesligastarts gegen den Hamburger SV gab Vasile Miriuta, der Mittelfeldregisseur der Lausitzer Vollmundiges zu Protokoll: „Ich werde den HSV abschießen“, und präzisierte weiter: „Ein Tor mache ich selbst, eins bereite ich vor.“ Miriutas Drohung kommt nicht von ungefähr. Der ungarische Nationalspieler sicherte mit seinen elf Treffern in der vergangenen Saison den Klassenerhalt der Cottbusser fast im Alleingang. Vielleicht handelt es sich jedoch lediglich um verletzten Stolz: Miriuta stand Anfang April noch in Verhandlung mit dem HSV. Der Wechsel scheiterte an den überzogenen Gehaltsforderungen des Cottbussers. Seither gilt er bei den Hanseaten als Raffzahn.

Ginge es um ein Duell der großen Worte, hätte der HSV bereits verloren. Nico Hoogma, der Kapitän der Hamburger, sagte zwar, dass „ein guter Start am Sonnabend sehr wichtig“ wäre, relativiert die Siegeszuversicht jedoch anschließend: „Cottbus ist ein schwerer Gegner, da spielt man vor einem heißen Publikum in einem engen Stadion.“ Die Hamburger Bescheidenheit wurzelt in der Verletzung des Torschützenkönigs der vergangenen Saison Sergej Barbarez. Der Schock über den Ausfall des Bosniers für den Bundesligastart sitzt tief. Barbarez hatte sich anlässlich des Abschiedsspiels von Karsten Bäron gegen den FC Bayern einen Bänderriss im Sprunggelenk zugezogen und muss voraussichtlich sechs Wochen pausieren. „Es ist unstrittig, dass uns seine Torgefährlichkeit fehlt. Der Ausfall trifft uns schwer“, sagte Holger Hieronymus, Sportchef des HSV.

„Wir müssen die Last auf mehrere Schultern verteilen“, äußerte sich der leidgeprüfte Trainer des HSV, Frank Pagelsdorf, müde. Mit insgesamt sieben verletzten Stammspielern zu Saisonbeginn sind die Wahlmöglichkeiten des Coaches ohnehin begrenzt. Als mögliche Kandidaten nannte Pagelsdorf den tschechischen Nationalspieler Marek Hein und Jörg Albertz.

Doch der von den Glasgow Rangers zurückgekehrte offensive Mittelfeldspieler konnte bisher noch nicht so recht überzeugen. Nach dem Bäron Benefizspiel äußerte sich Pagelsdorf nur knapp zu den Leistungen des einstigen Hoffnungsträgers: „Es war okay.“ Auch Albertz gab zu, dass er bisher noch keine 100 Prozent gebracht habe. Der Neuzugang Roda Autar kommt aufgrund der fehlenden Vorbereitung ohnehin nicht in Frage. Müss-te Albertz nach vorne rücken, würde der Routinier Bernd Hollerbach, der zuletzt nur noch auf der Bank saß, wieder ins Team kommen.

Das erklärte Saisonziel bleibt jedoch ein UEFA-Cup-Platz. Werner Hackmann, Vorstandsvorsitzender des Hamburger SV gesteht freimütig: „Ein zweites Jahr ohne Europacup wird schwierig.“ Werde das Ziel nur knapp verpasst, bestünden auch weiterhin gute Vermarktungschancen. Ein 13 Platz allerdings, wie im letzten Jahr, würde 10 bis 20 Millionen Mark Verlust bedeuten. „In diesem Fall haben wir die Option, Anteile der dann ausgegliederten Lizenzspieler an einen strategischen Partner zu verkaufen oder wir müssen uns bei Banken verschulden. Als letzte Möglichkeit bliebe Abspecken. Dann würden wir jedoch in eine Todesspirale geraten“, sagte Hackmann. Im selben Atemzug präsentiert der Vorsitzende dann jedoch das Abspecken als Erfolgsrezept der kommenden Saison.

Als „entscheidenden Punkt“ für das schlechte Abschneiden in der vergangenen Saison bezeichnet Hackmann den „sehr großen Kader um die Doppelbelastung Bundesliga und Champions-League zu verkraften. Daraus sei kein richtiger Teamgeist entstanden. Es sei weniger miteinander kommuniziert worden, eine richtige Mannschaft sei nicht zusammengewachsen. Nun ist der Kader kleiner, und „es wird mehr geredet“. Wenn auch nicht immer zum Wesentlichen.

Zum Wechseltheater um den Brasilianer Mario Jardin, äußerte sich Hackmann abschließend: „Transfers von über zehn Millionen Mark sind möglich. 20 Millionen waren bei uns nie angedacht.“ Beenden möchte er auch die Diskussion um das Volksparkstadion respektive die AOL-Arena. „30 Millionen fallen nicht vom Himmel. Seele und Tradition des HSV liegen am Rothenbaum und in Ochsenzoll. Das alte Volksparkstadion war eine ungeliebte Sportstätte.“ Den neuen Dauerkartenrekord mit 22.000 Stück führt der Präsident zur Überraschung aller nicht zuletzt auf die Namensänderung zurück: „Viele, die sonst nie hier waren, haben eine neue Erlebniswelt ausgemacht.“

Bei Wetten, welcher Trainer seinen Job in der neuen Saison aufgrund von Erfolgslosigkeit zuerst verliert, wird Frank Pagelsdorf mittlerweile hoch gehandelt. Hackmann bleibt stoisch: „Wir sind genauso geduldig wie in der vergangenen Saison.“ Philipp Sidhu

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