: Wut und Trauer
betr.: „Homoehe? Ein Luftschloss“, taz.mag vom 28. 7. 01
Jan Feddersen ist ein journalistischer scoop gelungen: die Ausgrabung und Vorführung eines lebenden Fossils. Eines Fossils, das seine ideologischen Fundamente in fast vierzig Jahren nicht verändert hat. Für Dannecker war schon immer alles klar: „Es gibt nichts Richtiges im Falschen“ (Adorno) heißt, erst muss der Kapitalismus (oder das Bürgerliche, der Liberalismus, die Aufklärung, der Kritische Rationalismus usw.) total abgeschafft sein, ehe man richtig schwul/lesbisch/bi/trans usw. sein kann und darf.
Aus Martin Danneckers Haltung springt uns seine Wut und Trauer förmlich an: darüber, dass ihm alles weggenommen wird, dass (überflüssig gewordene?) Klappen abgerissen werden, dass keine Schwulenbewegung mehr dagegen aufbegehrt, dass das homosexuelle Begehren normalisiert wird, dass es seine Hass, Gewalt und Brechreiz auslösende Wirkung verliert, dass die Vergötzung der vorgeblichen Differenz negiert wird, dass der Sog der Normalisierung seine gute alte Zeit bedroht, dass ihm lieb gewonnene Feindbilder abhanden kommen (trotz Geis & Co.), dass Schwulsein normal wird, dass er – peinlich für einen gelernten Soziologen – die sich wandelnde Gesellschaft nicht mehr versteht.
Da bekommt dann auch der bayerische Schwulenfresser Edmund Stoiber den Bruderkuss, und die christkonservative Abdrängung in die Notariate erhält unversehens sexualwissenschaftliche Weihen – ganz nach dem bewährten Drehbuch „Wie man Außenseiter draußen hält“.
Das lieben wir doch so am Freudo-Marxismus Frankfurter Provenienz! Wer nur erklärt seinen in die Jahre gekommenen und darüber einsam und sauertöpfisch gewordenen Helden, dass der Fortschritt in aller Regel eine Schnecke ist? Und man sich trotzdem schon hier und heute an ihm freuen darf? ROLF GINDORF,
Leiter der Schwulenberatung im DGSS-Institut, Düsseldorf
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