: Keine Peinlichkeit vermeiden
Juristischer Kleinkrieg und interne Konflikte bei Eimsbüttler Grünen über angeblich „linke“ Stellenausschreibung ■ Von Sven-Michael Veit
Gewisse „atmosphärische Störungen intern“ leugnen beide Seiten nicht. Dass diese sich in einem juristischen Donnerwetter zu entladen drohen, bedauern die Kontrahenten ebenfalls. Doch sowohl Solange Lipprandt wie Horst Becker meinen, daran sei die jeweils andere Seite schuld. Die Rede ist von der grünen Fraktion in der Bezirksversammlung Eimsbüttel.
Vor zwei Wochen suchte diese per Chiffreanzeige (!) in der taz hamburg „eine/n Geschäftsführer/in“. Für die neue Legislaturperiode ab Oktober, stellt der Auftraggeber und Bezirksabgeordnete Becker klar, da die Amtsinhaberin dann ausscheiden wolle. Er sei von der jetzigen Fraktion am 21. Juni per Beschluss zur Ausschreibung ermächtigt worden. Fraktionschefin Lipprandt und ihre Stellvertreterin Christine Harff sehen das völlig anders: Sie fühlen sich hintergangen.
In ihrem Auftrag verlangt der Rechtsanwalt Michael Günther von der taz, den Verantwortlichen für „die nicht autorisierte Anzeige“ zu nennen. Von der „alleine hierfür berechtigten Bezirksfraktion“, vertreten durch die Fraktionschefin und ihre Vize, stamme der Auftrag jedenfalls nicht. Es sollten, so Günther, „Peinlichkeiten vermieden“ werden, weil „die Erwartungen“ von Personen, die sich auf dieses Stellenangebot meldeten, möglicherweise „nicht erfüllt werden“ könnten.
Fraktionschefin Lipprandt, die für die nächste Legislaturperiode nicht mehr kandidiert, verweist auf das Protokoll der Juni-Fraktionssitzung, wonach es keinen förmlichen Beschluss über die Stellenausschreibung gebe. Zudem habe sich deren Urheber auch auf Nachfrage ihr gegenüber nicht zu erkennen gegeben, weshalb sie „leider“ per Anwalt nach ihm fahnden müsse.
„Wir wollen einfach für einen reibungslosen Übergang nach der Wahl sorgen“, beteuert Till Steffen, der als Nummer 2 auf der grünen Kandidatenliste für die nächste Bezirksversammlung mit einem Sitz in der neuen Fraktion rechnen darf. Für ihn und Becker, der auf dem ebenfalls sicheren Listenplatz 6 kandidiert, sowie die weiteren aussichtsreichen KandidatInnen sei aber „klar, dass die formale Entscheidung über die Stellenbesetzung die neue Fraktion fällen“ müsse. Steffen vermutet, „unbewältigte Konflikte“ würden den amtierenden Vorstand zu „unverständlichem“ Vorgehen animieren.
Davon gab es in der Tat reichlich bei Eimsbüttels Grünen. Ende vorigen Jahres wurden dem langjährigen Fraktionsgeschäftsführer Rudi Brandt gekündigt, er und drei der ursprünglich elf Bezirksabgeordneten wechselten daraufhin zum Regenbogen. Über die wahren Ursachen für den damaligen Krach kursieren bis heute auf beiden Seiten diverse unappetitliche bis ehrenrührige Versionen. Spätestens seit diesem Vorfall ist in der grünen Restfraktion die Stimmung auf dem Tiefpunkt.
Das diagnostiziert auch der langjährige Abgeordnete Becker, im Hauptberuf Psychologe. Wenn Lipprandt sich von ihm „gelinkt“ fühle, „dann hat sie wohl den Verstand verloren“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen