■ Urdrüs wahre Kolumme
: Generation Herzlos

Statt entsprungener Kängurus ist im diesjährigem Sommerloch die Homo-Ehe der Notnagel des Journalismus und das bringt so manche Schwule arg unter Druck – solche, denen die amtliche „Verpartnerung“ am knackigen Arsch vorbeigeht, die aber der Verlockung ausgesetzt sind, zum temporären Medienereignis werden zu können. Wie schön, dass den Zaudernden jetzt durch den rabiaten Gebührenzugriff in Bremen Gelegenheit geboten wird, die Sache noch einmal zu überdenken und in der aktuellen Invasion der Jazueinander-SagerInnen ein damenhaftes oder kerliges „So nicht!“ dagegen zu setzen! Allen trotzdem Paarungswilligen ein gutes Gelingen!

Zu und zu schön war für mich als zeitweisem Braker der taz-Beitrag über die Weserinsel Harriersand, der allerhand appetitliche Erinnerungen weckte – zumindest eine sei hier preisgegeben: Auf der Suche nach einem stillen Plätzchen zum Lesen mit Blick auf den Strom erblickte ich plötzlich zwischen dem Dickicht des Inselwäldchens einen männlichen Nackedei, der in dramatischer Intensität die Gretchen-Szene aus dem „Faust“ mit durchaus stimmiger Rollenverteilung vortrug. Als er mich bemerkte, erschütterte er mich zusätzlich mit der Frage „Sind wir nicht alle auf der Jagd nach dem Weißen Wal?“ Der Harriersand. Eine Insel wie ein Gral.

Der von mir ausgerufene Nationale Safttag – er hat dem Onkel Dittmeyer nichts mehr genützt – und natürlich stimme ich mit dem Nestor des Deutschen Fruchtsaftgedankens darin überein, dass ein Bankraub nichts gegen das Betreiben eines Geldinstituts ist, welches mit der rohen Kraft des Zinsfußes die schönsten Apfelsinen platt tritt. Und am selben Tag lese ich in der anderen Heimatzeitung einen dpa-Beitrag zu einer Stellungnahme der Familienministerin unter der Schlagzeile „Gewalt gegen Ältere darf kein Tabu sein“. Tja. So isses. Die Generation Herzlos!

In der ersten Bundesliga der Anti-AKW-Bewegung spielt Bremen offenbar inzwischen höchstens noch die Rolle des SV Werder: Geduldet und aus Respekt vor Tradition geachtet, aber nicht weiter ernst genommen. Wie sonst ist es zu erklären, dass neuerdings Castor-Transporte via Bremen geleitet werden? Hier gilt es am einst so guten Ruf nachhaltig zu polieren – und erwarte ich, dass aus dem Etat von Stadtmarketing oder Wirtschaftsförderung ab sofort die entsprechenden Mittel zur Bestallung von Einpeitschern, Blockadeuren und anderen subversiven Kräften bereitgestellt werden. Natürlich müssen auch operative Gelder zur Verfügung stehen, damit die Kosten nicht am Ende bei der Werkstatt Bremen oder beim ohnehin verdorrten Ökofonds der Grünen hängen bleiben ... Die Deutsche Meisterschaft in der Mülltrennung kann dem ökologisch-patriotischen Selbstverständnis doch wohl nicht genügen?!

Reichlich schüchtern fragt ein etwa zehnjähriger Schöler an der Haltestelle den Busfahrer, ob dieser ihm zwei Mark wechseln könne: „Ich brauche ein paar Groschen zum Telefonieren ...“ Der Chauffeur weigert sich. Und erläutert dies mit den miesepetrigen Worten: „Ich muss jedenfalls nicht telefonieren!“ Kann man mit solchen Pöterbären dem universellen Reich der Freiheit, Liebe und Gerechtigkeit näherkommen? Fragt sich und dich in gebotener Skepsis

Ulrich
„Ratlos“ Reineking