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Der Wert des Menschen-Pflegens

■ Ein „Schlag ins Gesicht“ sei es, Pflegekräften zu wenig Flexibilität vorzuwerfen – finden und erklären Pflege-Profis

Drei Jahre arbeitet eine Altenpflegerin im Durchschnitt. Dann wechselt sie den Beruf. Und das bei einer Ausbildungszeit von ebenfalls drei Jahren. Diese Zahlen zitiert Andreas Pollack, selbst einst Altenpfleger und inzwischen als Abteilungsleiter bei der Caritas zuständig für Kranken-, Behinderten- und Altenhilfe. Er zitiert diese Zahlen, um zu zeigen, was für ein Knochenjob die Pflege alter Menschen ist. „Die gehen alle über ihre Grenzen.“ Und er zitiert diese Zahlen, um zu zeigen, dass PflegerInnen hochmotivierte Menschen sind – „wegen des Geldes macht man das nicht, da verdient man woanders mehr.“

76 Pflegeheime gibt es im Land Bremen. 40 wurden bisher auf ihre Qualität überprüft. Bei rund 35 stellten die Pflegekassen Mängel fest (siehe taz vom 26. Juli). Ein wesentlicher Grund für die Mängel – sie reichten von mangelnder Dokumentation bis zu unzureichender Vorsorge gegen Wundliegen – sei das Pflegepersonal. Das zumindest befand der AOK-Fachmann Uwe Schneider. Oft sei es unzureichend motiviert, nicht effizient genug eingesetzt oder schlicht zu eingefahren, um sich an neue Strukturen zu gewöhnen.

Als „einen Schlag ins Gesicht“ haben die Leute von der Caritas diesen Vorwurf empfunden. Wenn der AOK-Mann in einem ohnehin sehr eng gesetzten Rahmen mehr Effizienz fordert, dann ist das „zu kurz gegriffen“, sagt der Direktor der Bremer Caritas und Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtsverbände, Werner Fühner-Walbelder. Sein Beispiel: Vier Pflegekräfte haben 30 Schwer- und Schwerstbehinderte zu waschen, anzukleiden, Essen anzureichen, „bei Ausscheidungen behilflich zu sein.“ Fühner-Waldbelder sagt lakonisch: „Still, satt und sauber – Pflege kann dann höchstens noch dieser Definition entsprechen.“ Er beeilt sich zu sagen, dass dies mitnichten die Situation der Caritas-Heime ist, erzählt von „Lebendigkeit, Fröhlichkeit und Dynamik“, von einer Haltung, die sei: „Ich will noch was vom Leben.“

Andreas Polack, der zuvor das Altenpflegeheim St. Laurentius geleitet hat, sagt: „Wir stehen an einer Grenze, wo wir uns überlegen müssen, was Pflege wert ist.“ Er wolle nicht leugnen, dass Mängel vorhanden seien. Vor allem in der Dokumentation, weniger in der Qualität der tatsächlich geleisteten Pflege. Doch auch wenn letzteres vorkomme, „dann ist die Frage doch: Warum ist das so?“ Und der Grund „ist nicht der schlechte Wille.“

Polack erzählt, dass er selbst eine halbe Stunde früher zum Dienst gekommen ist und davon, dass er oft länger blieb. Wie die Kollegen. Von Dementen, die vor allem Zeit und Betreuung bräuchten, was die Pflegeversicherung aber nicht vorsehe. Vom Sterben, deren Begleitung sich nicht in den Minutentakten der Pflegeversicherung abrechnen lässt, auch wenn die Pflegekräfte niemanden in diesen Stunden alleine lassen.

Polack und sein Chef Fühner-Walbelder wollen Offenheit: Heime mitten im Stadtteil, so dass klar werde, hier „ist nicht nur Leiden und Siechtum, sondern es macht auch Spaß – man kriegt etwas zurück.“ Auch mehr Geld, „nicht nur, aber auch.“ Und eine öffentliche Diskussion darüber, „welche Rahmenbedingungen wir noch erfüllen können und welche nicht mehr.“ Polack sieht darin „nicht zuletzt den eigennützigen Vorteil, dass dann nicht mehr die Mitarbeiter den schwarzen Peter haben.“ Sondern klar ist, was die Profis leisten und welchen Pflegepart Ehrenamtliche übernehmen müssen. Die Altenpflege müsse wieder einen Status bekommen, klar werden, dass sie mehr als „still, satt, sauber“ bedeutet. sgi

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