: DGB rechnet mit Leerstellen
Gewerkschaftsbund warnt: 27.800 Jugendliche haben wenige Wochen vor Beginn des Ausbildungsjahres keine Lehrstelle. Nichts als Panikmache, kontert die IHK
Obwohl es in diesem Jahr deutlich weniger Schulabgänger gibt, sind wenige Wochen vor Beginn des neuen Ausbildungsjahres immer noch rund 27.800 Jugendliche in Berlin und Brandenburg ohne Lehrstelle. Als „absolut ungenügend“ bezeichnete DGB-Landesvize Bernd Rissmann gestern das vorhandene Angebot und forderte Unternehmen und Senat auf, endlich mehr Ausbildungsbereitschaft zu zeigen.
Rainer Schöne von der Industrie- und Handelskammer Berlin nannte Rissmanns Vorstoß „kontraproduktiv“. Er würde mit „krass überhöhten Zahlen“ viele Jugendliche vollkommen unnötig beunruhigen.
Der Zahlenkampf ist Auslegungssache. Rissmann beruft sich auf die Differenz zwischen offiziellen Bewerberzahlen und beim Arbeitsamt gemeldeter Ausbildungsplätze. Schöne betont hingegen, dass viele Unternehmen mit ihren Ausbildungsplätzen längst nicht mehr zum Arbeitsamt laufen würden.
Die meisten der dennoch Übriggebliebenen landen dann in den unterschiedlichsten staatlichen Fördermaßnahmen. Klaus Pohl, Sprecher des Landesarbeitsamts, schätzt die Zahl der „Übriggebliebenen“ am Ende des Jahres auf etwa 3.000. Das seien zwar deutlich weniger als im vergangenen Jahr, aber immer noch sehr viele. Zu viele findet der DGB und wird dabei auch von den Grünen unterstützt. Gerade im öffentlichen Dienst seien in den letzten Jahren vorhandene Mittel für Ausbildungsplätze bei weitem nicht ausgeschöpft worden, kritisiert Pressesprecher Matthias Tang.
Ausbildungsplätze statt Personalabbau im öffentlichen Dienst, das wird ein Thema der Ausbildungskonferenz im Oktober sein, die der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) dem DGB zugesichert hat. Beim Brandenburgischen Landeschef Manfred Stolpe (SPD) hat Rissmann mit seinem Anliegen dagegen noch keinen Erfolg. Dabei ist die Situation dort noch wesentlich Besorgnis erregender. Statistisch gesehen streiten sich in Brandenburg mehr als sechs Bewerber um einen Ausbildungsplatz. Und Bernd Rissmann sieht noch deutlichere Warnzeichen. Die Zahl der Jugendlichen, die Brandenburg im letzten Jahr verlassen habe, hat sich verdoppelt. Das ließe eine „Vergreisung des Ostens“ befürchten. Selbst die Industrie- und Handelskammer Potsdam warnt die Unternehmen vor dem Paradox, dass man heute nicht genug Ausbildungsplätze für alle Jugendliche garantieren könne, in drei bis vier Jahren der qualifizierte Nachwuchs aber fehlen werde. ARMIN BEBER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen