■ Briefmarkenkrieg, zweite Runde: „Bohnenstangen“?
Ein Mediensturm fegte durch die engen Gassen des Schnoor, mitten hinein in die Büroräume des Graphikers Fritz Haase: Gestern kam der vermeintliche Übeltäter, dessen Briefmarken-Entwurf des Kölner Doms für Empörung gesorgt hatte (wir berichteten), aus dem Urlaub zurück.
Und mit ihm kam die Klarstellung: „Wir sind nicht gehalten, alle historischen Details zu spiegeln. Es geht viel mehr darum, das Typische eines Gebäudes herauszuarbeiten.“ Deswegen habe er das Spitzdach zwischen den Westtürmen in wenig in die Höhe ziehen dürfen, erklärte der Herr über 40 schon produzierte Marken. Allerdings habe er keinesfalls einen nicht realisierten Bauplan zu Grunde gelegt, wie die Kölner ihm aufs Erbosteste vorgeworfen hatten.
Postmann Kurt Rekittke kennt den wahren Grund des rheinischen Zorns: „Vor drei Jahren wollte der Dompropst seinen Taufstein als Briefmarke, das haben wir abgelehnt.“ Die taz recherchierte flankierend: Im Kunstbeirat der Post ist auch ein Kölner vertreten, und der hatte an der Marke nichts auszusetzen.
Zum Glück ist Haase ein sturmerprobter Graphiker. Schon in den 70er Jahren löste seine Beschneidung des Freiburger Münsters einen Protest-sturm aus („Schönste Kirche der Christenheit verhunzt“), in Braunschweig wurde gar eine Gegenbriefmarke gedruckt, weil er es gewagt hatte, den berühmten Löwen ohne Podest zu zeigen. Und vor zwei Jahren – die eigene Nase ist nah – sorgte die schematische Reduktion der Seitenteile des Bremer Rathauses für beleidigten Bremer Lokalpatriotismus.
Am Verkauf der Marken ab übermorgen wird sich jedenfalls nichts ändern. Ministerialrat Rekittke: „Sie liegen bereits an den Schaltern.“ Unvorsichtigerweise streut der Postmann noch Salz in die Kölner Wunden: „Professor Haase musste aus ästhetischen Gründen nachfassen, sonst hätten die Domtürme wie Bohnenstangen ausgesehen.“ Wir erwarten gespannt die Replik ...
Henning Bleyl
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