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Er war einmal im Amerika

Mit seinem Vorstoß, nach US-Vorbild die Zahl der Sozialhilfeempfänger in Hessen zu halbieren, stößt Ministerpräsident Roland Koch auf breiten Widerspruch. Ministerium: Vorschläge überholt

FRANKFURT/MAIN taz ■ Mit seiner Ankündigung, die Sozialhilfegesetzgebung nach US-Vorbild zu reformieren und die Zahl der Sozialhilfeempfänger so halbieren zu wollen, provozierte der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) gestern Widerspruch auf breiter Front. Koch hatte den Empfängern von Sozialhilfe gedroht, sie müssten sich „auf ein bescheideneres Leben bis hin zur Wohnunterkunft“ einstellen, falls sie sich seinem noch zu entwickelnden Beschäftigungsprogramm verweigern wollten. „Wir sind zu weich beim Zwang“, sagte Koch nach einem Besuch im hessischen US-Partnerstaat Wisconsin.

Sozialhilfeempfänger seien „Menschen und keine Maschinen“, erklärte gestern eine Sprecherin des nordrhein-westfälischen Arbeits- und Sozialministeriums. Ihnen müsse geholfen werden. Sanktionen sein zwar „manchmal notwenig“, sie dürften aber nicht im Mittelpunkt der Konzepte stehen. Für Hamburgs ersten Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) wird Koch mit seinen populistischen Attacken gegen sozial Schwache „nur den Ansprüchen an den Stammtischen“ gerecht.

Das Bundesarbeitsministerium stuft die Vorschläge von Koch als „überholt“ ein. Es existierten bereits Eingliederungspläne für Arbeitslose. Und die Bundesregierung habe 29 Modellprojekte für eine verbesserte Zusammenarbeit von Arbeits- und Sozialämtern genehmigt. Auch der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Ulrich Schneider, erteilte den Plänen Kochs eine Absage. Er bezweifelte, dass in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit überhaupt genügend Jobs für die Sozialhilfeempfänger zur Verfügung stehen könnten. Koch dagegen verteidigte seine Pläne. Noch in diesem Jahr solle ihm der Bundesrat eine „Experimentierklausel“ für die Einführung des „Wisconsin-Modells“ einräumen.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

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