: Deutsche Waffenexporte
betr.: „Export genehmigt“ (Ausfuhr von Munitionszündern in die Türkei), taz vom 6. 8. 01
Entweder ist Frau Beer über die Generallinie maßgeblicher Kreise in der Bundesregierung schlecht informiert, oder ihre Beschwichtigungsversuche bezüglich deutscher Waffenexporte sind schlichtweg Heuchelei. Denn es ist bereits gegenwärtig keineswegs so, dass die Export- und Genehmigungspraxis restriktiv wäre, wie sie wieder und wieder betont. Ein Blick auf die Ausfuhren der letzten Jahre hätte genügt, um das zu wissen: insgesamt höhere Exporte unter Rot-Grün als unter der Kohl-Regierung – allein 1999 in Höhe von 5,9 Milliarden Mark. Macht, je nach Statistik, weltweit Platz drei bzw. vier unter den größten Waffenexporteuren.
Und unter den ersten fünf Empfängerländern deutscher Militärgüter waren allein 1999 zwei Staaten mit verheerenden Menschenrechtsdefiziten: die Türkei (1,9 Milliarden Mark) und die Vereinigten Arabischen Emirate (337 Millionen Mark). „9.373 Einzelanträge für endgültige Ausfuhren von Rüstungsgütern“, so der Rüstungsexportbericht der Bundesregierung, wurden allein 1999 genehmigt, lediglich 85 Anträge abgelehnt. [. . .]
Walter Kolbow, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverteidigungministerium, formuliert hingegen völlig offen, worum es der Bundesregierung geht. In der Antwort auf meine Kleine Anfrage (DS 14/6764) zur Beteiligung der Bundesmarine an der Waffenmesse IDEX in Abu Dhabi, inklusive einer Präsentation von Waffensystemen auf See, formuliert er unzweideutig: „(. . .) Darüber hinaus haben die politischen und geostrategischen Veränderungen seit Ende der 80er Jahre eine Verschiebung, Neustrukturierung und Konzentration der Märkte – verbunden mit einem tiefgreifenden Abbau wehrtechnischer Kapazitäten – begründet. Die Bundesregierung begrüßt diesen Prozess. Gleichzeitig hält sie aus wohlverstandenem sicherheitspolitischen Interesse und im Hinblick auf eine zukunftsfähige europäische Verteidigungsindustrie den Erhalt einer ausreichenden nationalen Kernfähigkeit zur zeit- und sachgerechten Ausrüstung der Bundeswehr für unabdingbar. Diese industriellen Kapazitäten können durch Aufträge der Bundeswehr allein nicht gesichert werden. Unter der Bedingung der strikten Beachtung der gesetzlichen Grundlagen und der politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern kann daher auch der Export von Rüstungsgütern in gewissem Umfang zum Erhalt dieser Kernkapazität beitragen. Aus diesem Grund unterstützt die Bundesregierung deutsche Unternehmen bei der Präsentation von Produkten der Wehrtechnik bei internationalen Messen. (. . .)“
Vor dem Hintergrund dieser klar formulierten politischen und strategischen Option können sich die Grünen ihre verworrenen Dementis und die gespielte Empörung getrost sparen. [. . .]
CARSTEN HÜBNER, MdB-PDS, Berlin
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