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Tschechen keine Weicheier

Der wegen Verletzung nicht bei der Weltmeisterschaft in Edmonton angetretene Frank Busemann analysiert im Gespräch mit der taz den Zehnkampfsieg des Tschechen Tomas Dvorak

EDMONTON taz ■ Disziplin für Disziplin lässt der Olympiazweite von 1996 und verhinderte WM-Starter Frank Busemann exklusiv für die taz den Zehnkampf von Edmonton Revue passieren. Weltmeister wurde mit 8.902 Punkten zum dritten Mal in Folge der Tscheche Tomas Dvorak vor dem estnischen Sydney-Olympiasieger Erki Nool (8.815) und dem Briten Dean Macey (8.603).

Vorwort: Vorneweg muss man sagen, dass die 9.000 Punkte am Anfang eines Zehnkampfes so weit weg sind wie Australien von Kanada. Zumal es hier in Edmonton im Vorfeld keinen eindeutigen Favoriten gab. Ich habe Titelverteidiger Tomas Dvorak, Olympiasieger Erki Nool und Weltrekordler Roman Sebrle in etwa gleichstark eingeschätzt. Dean Macey war für mich eher der Joker.

100 Meter: Es wurde sofort deutlich, dass das Feld leistungsstärker war, als man das vermuten konnte, auch weil Erki Nool und Tomas Dvorak mit 10,60 und 10,62 Sekunden sofort zeigten, was sie drauf haben. Roman Sebrle ließ hingegen mit seinen 10,91 Sekunden durchblicken, dass von ihm nicht so viel zu erwarten sein würde und bei ihm wohl etwas nicht stimmte.

Weitsprung: Mit 8,07 m zeigte Dvorak hier eine bärenstarke Leistung – und brachte damit auf einmal auch den Weltrekord ins Gespräch. Wenn ein Tscheche so früh schon eine solche Form zeigt, dann macht er normalerweise hinten raus sehr wenig Fehler.

Kugelstoßen: Auch hier lag Dvorak mit 16,57 m nur knapp unter seiner Bestleistung und konnte somit den Kurs auf die 9.000 Punkte halten. Bei den 15,43 m von Sebrle hingegen hat man gesehen, dass ganz große Probleme da waren, weshalb ich zunächst davon ausging, dass er den Wettkampf gar nicht beenden würde. Andererseits ist er halt ein Tscheche – und die sind hart im Nehmen. Das sind keine Weicheier.

Hochsprung: Hier hat Dvorak geschwächelt. Die 2,00 m waren zwar in Ordnung, aber doch ein kleiner Rückschlag. Dafür war Erki Nool mit 2,03 m sehr gut, normalerweise ist Hochsprung nämlich nicht sein Ding. Vor allem aber Dean Macey hat mit seinen 2,15 m gezeigt, dass mit ihm zu rechnen ist.

400 m: Die 47,74 Sekunden von Dvorak waren eine richtig gute Zeit, nach seinem 100-Meter-Ergebnis durfte man das aber auch erwarten.

110 m Hürden: Macey startete zwar als Spitzenreiter in den zweiten Tag, zu hoch aber durfte man das nicht bewerten, weil Dvorak in den letzten fünf Disziplinen doch deutlich stärker ist. Über die Hürden bot er solide Hausmannskost, für die 9.000 Punkte fehlten ihm allerdings ein paar Hundertstel. Sebrle hingegen hat sich mit seinen 16,79 Sekunden mit mir zusammen in die Annalen eingeschrieben, der Rekordhalter der schlechtesten Leistung zu sein. Das, was ich mit 33,71 Meter im Diskus stehen habe, hat er jetzt bei den Hürden. Allerdings zählt das nur für die, die die 8.000 Punkte voll machen. Sonst ist man kein echter Schlappschwanz.

Diskus: Die 45,51 m waren gut, aber nicht richtig gut für Dvorak. Dafür hat Erki Nool das Ding mit 43,40 m für seine Verhältnisse richtig souverän nach Hause gebracht. Auch Dean Macey hat mit 46,96 m richtig einen rausgehauen.

Stabhochsprung: Der beste Stabhochsprung-Wettkampf, den es jemals in einem Zehnkampf gegeben hat, weil gleich acht Springer über fünf Meter und mehr gesprungen sind. Auch Dvorak ist für seine Verhältnisse mit 5,00 m richtig hoch gesprungen und hat seine Bestleistung eingestellt. Damit hat er den verlorenen Boden im Diskus und über die Hürden im Hinblick auf die 9.000 Punkte wenigstens ein bisschen gutgemacht.

Speer: Die Bedingungen waren bei wechselnden Winden nicht ganz leicht. Deshalb ist wohl auch Dvorak nicht über 68,53 m gekommen, was die 9.000 Punkte für ihn spätestens hier beerdigt hat. Macey hat mit seinen 54,61 m erstmals gepatzt, auch weil er Probleme in der Schulter hat. Bronze aber hat er sicher, den Anschluss zu Silber aber hat er verloren.

1.500 m: Mit 4:35,13 Minuten hat Dvorak das Ding mit Anstand nach Hause gebracht und mit 8.902 Punkten ein Super-Ergebnis erzielt. Die 9.000 Punkte waren schon vor dem Lauf nicht mehr möglich.

Fazit: Für 9.000 Punkte darf man sich keine Fehler erlauben. Aber auch wenn sie hier in Edmonton nicht gefallen sind, so sind sie doch für Athleten wie Dvorak, Sebrle und auch Macey prinzipiell möglich. Und auch für mich steht das Ziel durchaus noch im Raum, auch wenn es im Moment doch recht weit entfernt ist.

Aufgezeichnet v. FRANK KETTERER

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