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■ Urdrüs wahre KolumneDie menschliche Seite

Wie man im Rabatti-Rabatti-Zeitalter über den Tisch gezogen werden kann, musste ich dieser Tage auf dem Wochenmarkt erleben, wo ich mich gerade zwischen einem Strauß Bartnelken für acht und ein paar Löwenmäulchen für sechs Mark entscheiden wollte. „Nemse doch beide, für einen Preis!“, offerierte mir nunmehr die rustikale Verkäuferin und da ich dieses Verfahren als Schlussverkaufskunde ja auch beim Kauf von Socken und Feinripp-Unterhosen kenne, nahm ich den Vorschlag an. Sie wickelt die Sträuße zusammen und überreicht mir das Gebinde mit den Worten „Acht Mark und sechs Mark, das wären dann also vierzehn!“ Irgendwie bin ich noch nicht ganz tauglich für die neue Welt des großen Feilschens.

Dass ausgerechnet die Bremer Börse ein Herz für Penny Stocks hat und den Wind- und Regenmachern des Neuen Marktes Rat und Hilfe anbietet, macht einmal mehr klar, wie sehr das kleinste deutsche Bundesland von Hütchenspielern, Messeveranstaltern, Popmanagern und anderen Wirtschaftsförderern geprägt wird. Demnächst werden auch Space Park und World Trade Center und die International University an die Börse gehen: Wer auf dem Flohmarkt sein altes Monopoly-Spiel verkauft, wird sich hinterher umfassend eindecken können!

„Mach mir mal'n Intabruh“, kann es also künftig in der Kneipe gegenüber der zuständigen glamourösen Thekenschlampe oder dem versoffenen Zapfer heißen, wo man jetzt noch nach einem Becks oder einem Ahornberger verlangt. Interbruh. Das klingt nach Spülwasser, Genua und den Speicheltropfen von Dschordsch Dabbleju Busch. Nach Holsten, Plastikflasche, culturplan und Elektro-Smog. Wahrlich, sie machen es uns leicht, vom Bierchen loszukomme, wissen von allem nur den Preis und von nix überhaupt den Wert. Pfudeibel das! Aber immerhin – wieder mal eine erfolgreiche Werbeaktion für die Mitgliedschaft im CDG (Club der Globalisierungsgegner). Und mit einiger Wehmut erinnere ich mich an meine mehrtägige Tätigkeit als Hilfsarbeiter bei der Hemelinger Brauerei, die ihr jähes Ende fand, als ich nach umfangreichem Haustrunk in der Kantine menschlichen Halt an einem Dienstwagen der gehobenen Klasse suchte und dann doch nicht fand. Damals ging Absatz noch vor Umsatz!

Wenig verständnisvoll finde ich die Kritik der Bremer Grünen an Hartmut Perschau, wenn dieser Hanseaten-Darsteller seinen Büroleiter auf Lebenszeit in eine Top-Stelle befördert: Vielleicht wird er ja von dem Kerl erpresst. Oder ist in ihn verliebt und will nach seiner Abwahl gemeinsam mit ihm aussteigen. Man muss doch auch die menschliche Seite sehen und nicht immer nur das bisschen Staatsknete!

Die ausgebrannten Bremer Lehrer. Schlusslichter in der Motivation. Das haben wir jetzt amtlich. In einer Studie der Uni Potsdam – was geht die Ossis das überhaupt an? Aber ansonsten sind die hiesigen Pauker doch ganz passable Lenkdrachen-Bauer, Tangotänzer, Sambatrommler und Tantrameister. Oft genug Menschen, die einen Paulchen-Fahrradträger ohne Werkstatthilfe am Wohnmobil befestigen können: „Könnt ihr das auch?“ müssen sich die Kritiker von der Jungen Union und ihre Helfershelfer aus dem akademischen Proletariat von Potsdam fragen lassen – und sollten endlich mal mit dem Genöle gegen dreizehnjährige Schulzeiten aufhören: Bei mir und Albert Einstein hat es über 14 Jahre gedauert und geschadet hat es nichts!

Scherf (SPD) ist gemeinsam mit Ortwin Runde (SPD) für Olympia 2012 in Hamburg und Bremen. Mein Freund Günter Lauenburger und ich haben uns dagegen ausgesprochen.Wetten, dass man in dieser Angelegenheit beim Internationalen Olympischen Komitee auf uns hören wird? Ist sich heute schon ganz sicher Ulrich „No Sports“ Reineking

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