: Mit Händen und Füßen
Omar Sosa versucht mit Hilfe von Jazz die ultimative Afro-Fusion. Beim Heimatklänge-Festival im Tempodrom sorgt der impulsive Auftritt seiner Band für Furore und strapazierte Klavierseiten
von DANIEL FERSCH
Der Brückenschlag zwischen Afrika und Amerika, den sich das diesjährige Heimatklänge-Festival auf das Banner geschrieben hat, ist vollendet: Nachdem bei den bisherigen Konzerten vor allem afrikanische Musiker den Ton angaben, ist diese Woche mit Omar Sosa Kuba erreicht.
Wer nun traditionelle Son- oder Salsa-Klänge erwartet, ist bei Sosa auf dem falschen Dampfer. Der 35-jährige Pianist kommt nämlich aus einem lupenreinen Jazz-Background, hat an der Musikhochschule in Havanna studiert und pflegt seit den Neunzigerjahren enge Verbindungen zur Latin-Jazz-Szene Kaliforniens. Dabei bastelt der afrokubanische Weltenbummler an einer Art metaafrikanischer Klangsprache, einer Verschmelzung des afrikanischen Musikerbes, das sich über den Globus verstreut in den unterschiedlichsten Winkeln findet. Son, Salsa, Free-Jazz, nord- und westafrikanische Rhythmen, HipHop: alles fließt zusammen zu einem großen Strom. Fusion nannte man so etwas einmal im Jazz-Kontext.
Auf der Tempodrom-Bühne präsentiert sich seine Band dann auch als kosmopolitische Vollversammlung. Drummer, Bassist und Saxofonist sind weiß und kommen aus den USA, der Rapper ist Afroamerikaner, die Sängerin aus Kuba, der Percussionist Yassir Chadly kommt aus Marokko, und Ali Keita hat von der Elfenbeinküste sein Ballafon, eine Art traditionelles, hölzernes Vibrafon mitgebracht.
Die beiden Vokalisten halten sich vornehm im Hintergrund, denn der unbestrittene Chef auf der Bühne ist Sosa. Zwar hockt er an seinem gigantischen Flügel mit dem Rücken zum Publikum, aber an diesem Platz ist er kaum zu halten. Immer wieder springt der in weißen, wallenden Gewändern wie ein Santeria-Priester gekleidete Bandleader auf, um das Publikum zu animieren oder seine Musiker anzufeuern. Impulsiv ist als Charakterisierung von Sosa eine Untertreibung, auch was sein Klavierspiel betrifft. Sosa traktiert die Tasten wie ein Derwisch, mit Fingern, Fäusten, ja manchmal sogar mit den Füßen.
Die große Fusion kommt jedoch nur langsam in Fahrt. Am Anfang wirkt die Band sogar nicht richtig eingespielt und groovt sich nur nach und nach ein. Die verschiedenen Musikstile kommen vor allem als Zitate vor: Mal schwebt ein Salsa-Thema von Sosas Klavier durch den Raum, mal bringt Ballafonist Keita westafrikanische Melodik ins Spiel, dann wieder dominiert ein rauher HipHop-Groove des Schlagzeugers. Zwischen einzelnen Stücken lässt sich kaum unterscheiden, die Band spielt fast durchgehend in einem auf- und abschwellenden Strom, der viel Raum für Improvisation lässt. Saxophonsolo, Scatgesang, jeder kommt einmal dran, und manchmal ergehen sich die Instrumentalisten auch in Call-and-Response-Spielchen. Das ist nicht immer tanzbar, manchmal sogar anstrengend und elegisch, und eignet sich so zwischenzeitlich zur Verwirrung des Publikums. Vor allem aber ist es eins: Jazz. Egal, so scheint es, wohin es Omar Sosa auf dem Planeten verschlägt und welche Eindrücke er aufsammelt, er kommt immer wieder auf den Jazz zurück, als seine persönliche Formel für die panafrikanische Weltmusik.
Heimatklänge mit Omar Sosa und Band, bis Sa. um 21.30 Uhr, So. um 16 Uhr, Tempodrom am Ostbahnhof
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