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Chill-out unterm Sternenhimmel

Auch im Sommer sind Partys und gepflegtes Abhängen schwer gefragt. Einzige Bedingung: Draußen muss das Nachtleben stattfinden – egal ob mit dem Sixpack auf dem Gehweg, in exotischen Gärten oder an romantischen Gewässern

von CHRISTA STORM

Schnell nach draußen – wenn es richtig heiß ist und die Hitze wie ein Klotz auf dem Kopf liegt, ist im Freien rumhängen die einzige ernst zu nehmende Ausgehvariante. Wer will schon warme Sommernächte, die man in dieser Stadt an Händen und Füßen abzählen kann, in stickigen, brüllend heißen Clubs verbringen? Nein, knappe Tops vorzeigen kann man in Innenräumen auch, wenn draußen Schnee liegt. Draußen knappe Tops vorzeigen kann man wirklich nur in ganz, ganz wenigen Nächten. Und das muss ausgenutzt werden.

Beginnen wir mit der preiswertesten, banalsten und zugleich in diesem Sommer angesagtesten Freiluftvergnügung, für die man noch nicht mal komplizierte Verabredungstechniken beherrschen muss. Die geht so: in den Spätkauf spazieren, ein paar Bierdosen besorgen und sich in gut frequentierten Gegenden auf den Bürgersteig setzen. In der Kastanienallee gibt es an der Ecke Oderberger Straße beispielweise zwei Sitzbänke, die in schönen Nächten noch begehrter sind als Terrassenplätze im Schwarz-Sauer. Sitzt man dort einfach so auf der Bank, trinkt Bier und ist sich selbst genug, ist das fast wie in Mediterranien. Keine nervigen Servicekräfte kommen vorbei und es klebt auch nicht, wie zuletzt in einer Friedrichshainer Kneipe gesehen, ein Zettel auf dem Tisch mit der Aufschrift: „Du sitzt an Tisch 73. Wenn du den Tisch wechselt, merke dir die 73. Nach 22 Uhr bitte alle leise hereinkommen.“ Weil es keine Tische gibt. Auf den Bänken Kastanienallee/Ecke Oderberger kann man so lange und so viel trinken, wie man will. Einen Nachteil hat das Herumhängen dort allerdings schon – es gibt kein Wasser in der Nähe. Denn irgendwie gilt für Berlin das ungeschriebene Gesetz: Richtig entspannend ist nächtliches Abhängen in lauer Sommernacht erst dann, wenn es nebenan zumindest ein bisschen plätschert und rauscht und wenn sich der Mond und die blitzenden Augen der pelzigen Ratten in was Wässrigem spiegeln.

Da haben wir zum Glück den Club der Visionäre am Flutgraben – eine exquisiste Gelegenheit, dem Wasser sehr nahe zu sein und unter bunten Lichterketten darüber zu sinnieren, weshalb der Freischwimmer am Ufer gegenüber absolut uncool ist. Es ist noch gar nicht lange her, da kam man nur in den Freischwimmer, wenn man am Tor geklingelt hat und den Namen eines Dienst habenden Barkeepers kannte. Das ist mittlerweile nicht mehr so. Stattdessen spielt man dort im Ambiente einer finnischen Holzsauna tatsächlich Schlager. Dazu tanzen dann Leute in weißen Hemden. Ein erstaunlicher Anblick, der sich nur aus der Liegestuhl-Perspektive vom Club der Visionäre aus richtig gut genießen läßt. Urlaubsfeeling pur. Noch mehr Wasser findet sich naturgemäß in direktem Umfeld der Insel der Jugend, zu der man über die Brücke an der Eichenstraße in Treptow oder, was eine standesgemäße Lösung wäre, mit dem Wasserflugzeug gelangt. Dort lässt sich auch tagsüber super die Zeit tot schlagen – die Macher der Insel überraschen am Wochenende mit innovativen Ideen für die Kinderbeslustigung, über die auch dem Schnulleralter Entwachsene kichern können – neulich gab es auf der Insel ein Fest unter dem Motto: „Mein Gott Walter, ist denn heut’ schon Mittelalter“. Aber auch wenn die Kleinen schlafen, gibt es auf der Insel Programm. Vom Freiluftkino bis zur Clubnacht (man kann draußen tanzen!) dürfte für jeden Geschmack etwas dabei sein. Von den zur Insel gehörigen Strandkörben und Hängematten aus kann man prima über Treptow die Sonne aufgehen sehen.

Noch ein Tipp für alle, für die ein Samstag ohne Melrose Place und Beverly Hills 90210 kein richtiger Samstag ist – im Sage Club gibt es bereits seit einem Jahr einen Privatpool für die Clubbetreiber, in den manchmal auch handverlesene Stammgäste hineinspringen dürfen. Damit nichts passiert, haben die Sage-Jungs extra einen Bademeister eingestellt, der aufpasst, dass niemand toter Mann spielt. Baywatch im Club, dazu noch ein Cocktail, gute Musik und man fühlt sich wie ein Teilnehmer eines Videoclips. Wie gesagt: Nicht alle werden vorgelassen. Aber vielleicht hilft eine knappe Badehose bei der Vorauswahl. Nicht so streng sind die rührigen Veranstalter bei ihrem neuesten Projekt, dem Sage Market. Jeden Sonntag öffnen sich die Pforten zum ehemaligen Fabrikgelände – allerdings tagsüber. Hier kann man ebenfalls wunderbar die Seele baumeln lassen, sich nebenbei eine neue Sonnenbrille kaufen, Flamenco-Klängen lauschen, die Kinder bei der Kinderbetreuung abgeben und eine knackige Grillwurst genießen. Hört sich entspannt an, ist entspannt und garantiert eine der heißesten Adressen für lauschige Sonntagnachmittage ohne Stau auf dem Weg stadtauswärts.

Apropos Umland: Wer nicht extra auf eine Goa-Party in den brandenburgischen Forst fahren will, um zu gucken, was man jetzt in Liebenwalde so trägt, kann für die nächste Schönwetternacht den Tresor in Angriff nehmen. Den Tresor an der Lepziger Straße, wo das Kondenswasser von der Decke tropft und es so laut ist wie sonst nirgendwo? Richtig. Aber neuerdings gibt es auch neben dem Techno-Urgestein Platz zum Füßehochlegen – den Tuna Garden nämlich, und die Tresor-Leute preisen ihre Tunfisch-Grünfläche als „verwunschen“ und „unübersichtliches Dickicht“ mit „geheimnisvoller Beleuchtung“ an. Von „Stimmengewirr und Gelächter angefüllt“ sei der Tuna Garden angefüllt und habe darüber hinaus noch bis zum nächsten Mittag geöffnet – fast wie der Märchenpark im Phantasialand, damals. Nur eben ohne Wasser.

Wie viele andere Clubs verlegt auch das WMF in der Ziegelstraße die eigentlichen Chill-out-Zonen an die frische Luft. In dessen Hof gibt es sogar eine eigene Bar. Da muss man eigentlich gar nicht mehr reingehen.

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