Im Mahlwerk des Allesfressers

Neues aus dem Baumarkt: der 2.000-Watt-Häcksler und die Glückshormonwelle

Guten Tag. Mein Name ist Peter-Hans Kaltenbecher. Als Leiter einer führenden Filiale einer namhaften Baumarktkette im westlichen Westfalen, östliches Ruhrgebiet, was aufs selbe rauskommt, möchte ich heute sozusagen einmal aus professioneller Perspektive Stellung beziehen zum Problem der mit der vorerst nicht enden wollenden Wachstumsperiode einhergehenden Selbstverpflichtung des Klein- und Kleinstgärtners, den ihm entstehenden Baum- und Strauchschnitt maschinell zu zerkleinern. Mit anderen Worten: das Häckseln:

Was soll ich dazu sagen?! Ich muss es ja wissen, erfreut sich doch das maschinelle Selberhäckseln seit Jahren steigender Beliebtheit. Man kann wohl sagen, dass es in der Hierarchie der Lärm erzeugenden Gartenarbeit dem Rasenmähen und Laubsaugen längst ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen ist.

Das Häckseln weckt wie jedes maschinengestützte Rumfuhrwerken im Heimwerker längst verschüttet geglaubte archaische Instinkte. Kaum hat das 2.000-Watt-Triebwerk den Häcksler hochgefahren, und kaum ist der erste spröde Kirschbaumprengel zwischen den rotierenden Messern zu Span geworden, brodelt im Häcksler-Herrchen die Ursuppe wie Magma unter der Vulkankruste. Dann badet er wie der schreckliche Oliver Kahn im Adrenalin, und es bricht der vorzeitliche Landmann in ihm durch. Nein, kein Mammut muss mehr vom Acker getrieben, kein Felsbrocken von der Scholle geräumt werden. Und doch brandet eine gigantische, von 3.000 Umdrehungen in der Minute angetriebene Glückshormonwelle gegen die Hirnwand des häckselnden Hobbygärtners. Und er schwitzt und schnauft, als reite er auf dem vom zotteligen Bison gezogenen Pflug durch steinige Prärie. Aber es ist doch nur der badehandtuchkleine Kleingarten des dritten Jahrtausends. Es ist doch nur das immer gleiche Zierrasenviereck, umsäumt von Petunienrabatte, Koniferenpalisade und allenfalls Stachelbeerstrauch. Ja und? Egal! Das Grünzeug wächst, und es muss kleingehalten werden, bevor sich wildes Tier in ihm ansiedelt, bevor dichtestes Dickicht den Horizont verdunkelt und, vor allem, bevor die vertrocknete Rhododendronblüte Nachbars bereits freigehäckseltes Gelände befällt und verschmutzt.

Und ewig singt der Häcksler sein Sommerlied und es knattert und kracht alles, was nicht bei drei die Triebe eingezogen hat, im Mahlwerk des Allesfressers, so lange, bis die Grünfläche wie eine Skinhead gewordene Außenanlage endlich radikal kahl und hässlich weggehäckselt ist.

Wie schön. Denn nun wird der Herrscher des Häckslers wieder zum Pflanzmann, steht bald in meinem Gartenzenter Schlange, um neues Strauchwerk zu erwerben, das gehegt und gepflegt werden will. Spätestens nächstes Jahr muss schließlich wieder gehäckselt werden. Mit dem neuen, leistungsstärkeren Modell. Ich werde es bereithalten. Alle Typen immer für Sie da!

FRITZ ECKENGA