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Der Junior ist auf sich allein gestellt

Kommunalwahlen in Niedersachsen – und erstmals seit 1986 kann die SPD nicht auf Gerhard Schröder als Zugpferd zählen. Sigmar Gabriel, sein Nach-Nachfolger als Ministerpräsident, steht unter Druck: Er muss aus eigener Kraft Prozente holen

aus Hannover JÜRGEN VOGES

Der Amtsinhaber präsentiert sich mit bewusst unscharf gehaltenen Porträts und nennt sich schlicht „Der Hannoveraner“. Als dienstältestes Oberbürgermeister der Republik mit gut 29 Amtsjahren muss sich der Sozialdemokrat Herbert Schmalstieg dem hannoverschen Wahlvolk nicht mehr bekannt machen.

Ganz anders die Christdemokraten: Sie setzten bei der niedersächsischen Kommunalwahl am 9. September in der Landeshauptstadt auf den Wunsch nach dem Wechsel. Ihre Bürgermeisterkandidatin, die stellvertretende Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion Rita Pawelski, präsentiert sich einfach als „das neue Gesicht“. Für die 52-jährige CDU-Politikerin ist es allerdings auch bereits der zweite Anlauf. Pawelski unterlag schon bei der letzten Kommunalwahl 1996 gegen den 58-jährigen Schmalstieg. Nach langen Jahren als ehrenamtlicher Oberbürgermeister wurde der SPD-Mann seinerzeit in direkter Wahl erstmals zum hauptamtlichen Stadtoberhaupt gekürt, das auch die Verwaltung leitet.

Landesweit werden in Niedersachsen am 9. September insgesamt 218 Bürgermeister und Landräte direkt von den Bürgern bestimmt. Nach dem Wahlgang, bei dem die 6,34 Millionen Wähler zugleich über die Zusammensetzung von 2.200 Räten und Kreistagen entscheiden, wird erstmals der Mehrzahl der niedersächsischen Kommunen und Landkreise ein hauptamtlicher Bürgermeister oder Landrat vorstehen, der zugleich Verwaltungschef ist.

Bis auf zwei Kanzlerauftritte müssen die niedersächsischen Sozialdemokraten zum ersten Mal seit 1986 ohne den Wahlkämpfer Schröder auskommen. Umso mehr bemüht sich nun Schröders Nach-Nachfolger im Amt des Ministerpräsidenten, Sigmar Gabriel. Nach Angaben des SPD-Landesgeschäftsführers Heino Wiese, stehen allein bei ihm binnen eines Monats sechzig Wahlkampfveranstaltungen im Terminkalender. Noch nie habe sich ein Landesvater bei einer Kommunalwahl so ins Zeug gelegt.

Offenbar nimmt sich Gabriel eine Ermahnung des Bundeskanzlers sehr zu Herzen. Als der jüngste Ministerpräsident der Republik vor der Sommerpause keck des Kanzlers „Politik der ruhigen Hand“ kritisierte, erinnerte Schröder öffentlich daran, dass Gabriel in Niedersachsen noch nie selbst eine Wahl gewonnen hat. Der 41-jährige verdankt schließlich sein Ministerpräsidentenamt dem Rücktritt seines glücklosen Vorgängers Gerhard Glogowski.

Die Sozialdemokraten lagen bei der letzten Bundes- und Landtagswahl um 15 und um 12 Prozentpunkte vor der CDU, bei der Kommunalwahl 1996 allerdings noch gute drei Punkte hinter ihr. Eine von der SPD selbst in Auftrag gegebene Forsa-Umfrage sah im Juni die Sozialdemokraten auch bei einer Kommunalwahl vorn.

Zumindest mit ihrem Wahlkampfetat, der auch die hannoverschen Plakate hervorgebracht hat, liegt die SPD an der Spitze. Der SPD-Landesverband gibt eine Million für die Kommunalwahl aus, die Landes-CDU lediglich 550.000 Mark.

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