: Streit um Nutzungsrechte embryonaler Stammzellen
Universität von Wisconsin will der Biotech-Firma Geron eine zu umfangreiche Nutzung von Stammzelllinien gerichtlich verbieten
Nur wenige Tage nachdem US-Präsident George Bush seine Entscheidung über die zukünftige Forschungspolitik in Sachen embryonale Stammzellen bekannt gab, ist der Streit über die in Aussicht stehenden Gewinne zukünftiger Anwendungen schon voll entbrannt. Die Wisconsin Alumni Research Foundation (WARF), die für die Universität von Wisconsin mehrere grundlegende Stammzellpatente verwertet, will das in Kalifornien ansässige Biotech-Unternehmen Geron per Gerichtsbeschluss zwingen, eine umfasssende Nutzung der Patente zu unterlassen.
Der Gang zum Gericht kam überraschend, denn bis vor kurzem waren WARF und Geron noch enge Partner. Geron, das unter anderem die Verwertungsrechte für das Verfahren besitzt, das zum Klon-Schaf Dolly geführt hat, finanzierte bis vor kurzem noch die Forschungsarbeiten des Stammzellpioniers James Thomson an der Universität Wisconsin. Thomson war der Erste, der embryonale Stammzellen im Labor vermehren konnte. Da staatliche Gelder für Embryonenforschung nicht genutzt werden durften, sprang Geron ein. Im Gegenzug erhielt das Biotech-Unternehmen die exklusiven Nutzungsrechte zur Herstellung von weiteren Stammzelllinien. Vertraglich war vereinbart, dass Geron die an der Universität gezüchteten und patentierten fünf Stammzelllinien dazu nutzen darf, spezialisierte Stammzelltypen zu entwickeln und kommerziell zu verwerten. Insgesamt sechs Zelltypen wurden genannt, räumt Geron in einer Presseerklärung ein, unter anderem Leber-, Muskel, Herz- und Nervenzellen. Diese Zelltypen, die noch nicht voll ausdifferenziert sind und eine eingeschränkte Entwicklungsfähigkeit besitzen, sollen, so die Hoffnung der Forscher, später einmal dazu eingesetzt werden, krankes Gewebe zu ersetzen.
Bei dem aktuellen Streit geht es nicht um diese sechs Zelltypen. Geron soll weiterhin diese Nutzungsrechte behalten. Verhindern will die Patentagentur der Universität jedoch, dass Geron weitere Zelltypen entwickelt. Insgesamt rund 200 verschiedene Gewebetypen gibt es im Körper eines Menschen. Vermutet wird, dass es für jeden Gewebetyp eine bestimmte Stammzelllinie gibt, die aus den urspünglichen embryonalen Stammzellen entwickelt werden kann. „Wir glauben, dass Geron immer noch ein guter Partner bei der Entwicklung der Stammzelltechnologie ist“, sagte WARF-Sprecher Andrew Cohn, „aber wir glauben auch“, dass Geron mit seinen sechs Zelltypen genug habe.
Das Interesse von WARF ist vielmehr, die embryonalen Stammzellen möglichst breit zu streuen. Je mehr Forscher mit den Zellen aus Wisconsin arbeiten, umso größer ist der zu erwartende Gewinn. Die Stammzellforscher müssen nicht nur 5.000 US-Dollar für eine Zelllinie hinblättern, sie müssen auch ein umfangreiches Lizenzabkommen unterschreiben. So müssen die Forscher nicht nur alle geplanten Experimente mitteilen, auch die Rechte für eine kommerzielle Verwertung von Produkten oder Verfahren, die mit diesen Zellen entwickelt werden, verbleiben bei WARF.
WOLFGANG LÖHR
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