: gewinner, verlierer und lügner
In 65 Tagen wird in Berlin gewählt. Die Bild-Zeitung schnürt ihre Springerstiefel schon jetzt und zieht in den Wahlkampf. Petra Lidschreibers „Tagesthemen“-Kommentar zum Jahrestag des Mauerbaus beispielsweise ist dem Boulevard-Haubitze nicht entgangen: In einer Rubrik auf Seite 1 wird die Journalistin als „Verlierer“ vorgeführt und zitiert: „Eine Entschuldigung der PDS bei Maueropfern ist überflüssig. Kiesinger hat sich ja auch nicht für seine NSDAP-Mitgliedschaft entschuldigt.“ Eine dummdreister Satz, da müssen wir den Kollegen zustimmen. Schade nur, dass ihn Frau Lidschreiber nie ausgesprochen, dass ihn die Bild frei erfunden hat. Sie sagte, was deutlich zu vernehmen war und leicht zu recherchieren ist: „Recht selbstverständlich wurde 1966 Kurt Georg Kiesinger – NSDAP-Mitglied von 1933 bis 1945 – zum Bundeskanzler gewählt. Niemand hat von ihm eine Entschuldigung gefordert.“ Und weiter fragte sie durchaus kritisch, ob „eine wohlfeile Entschuldigung“ die „Nachfolgepartei der SED“ vom „demokratischen Schmuddelkind zum veritablen Koalitionspartner“ befördere. Nun können „Tagesthemen“-Kommentare bekanntlich recht langatmig sein, ihre Inhalte schwer verständlich. Gut, dass wenigstens die Luchse von der Bild aufgepasst haben. Und sich anschließend zurechtdrechseln, was Frau Lidschreiber womöglich hätte sagen können, ach was, was sie eigentlich gesagt hat – steht ja nun schwarz auf weiß in der Zeitung. Dort steht übrigens demnächst auch die Gegendarstellung. taz meint: Reife Leistung, jemandem ein Wort in den Mund zu legen und es dann auch noch umzudrehen. Danke, Bild! FRA AUSRISS: BILD
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