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Urlaubstagebuch

Zwei. Nein, drei. Nein, lieber acht bis zehn Bücher mitnehmen. Kann ja sein, dass es den ganzen Urlaub über regnet – und wo käme man dann hin, wenn man nicht genug Lesestoff hätte! Dann müsste man sich vielleicht gar vor den Fernseher setzen, seichteste Sommerkost über sich ergehen lassen – und das muss dringlichst vermieden werden!

Zugegeben, es war nicht ganz leicht, im diesjährigen Sommerurlaub die Mitreisenden von der Notwendigkeit eines tonnenschweren Büchertransports zu überzeugen. Milde lächelten sie, hatten allenfalls ein bis anderthalb Stück Mankell eingepackt – und glaubten tatsächlich, so über die Runden zu kommen. Allein – der Weise schweigt gelassen.

Und als wärs ein Wunder, behält man in den ersten Urlaubstagen Recht: Das Wetter ist nur leidlich toll, sodass man es an den ersten Abenden mühelos durchhält, sich der Lektüre zu widmen, während die Übrigen bereits aufs Hörzu-Kreuzworträtsel umgestiegen sind. Ist ja auch ziemlich stark spannend, der Wälzer, den man immer schon mal lesen wollte! Begeistert referiert man allmorgendlich am Frühstückstisch, was sich im weiteren Verlaufe zugetragen. Doch damit nicht genug: Drei Abende hält man sie durch, die Lektüre. Was macht es da, dass das Lesetempo stetig langsamer wird und man sich am vierten Abend beim besten Willen nicht aufraffen kann, mehr als fünf Seiten zu lesen?

Macht nichts, schließlich ist man zum Erholen im Urlaub, und wenn man sich auch inzwischen – die zweite Woche ist angebrochen – in Halbseiten-Schritten durch das Kompendium bewegt, besteht doch kein Anlass zu der Vermutung, dass man den Batzen etwa nicht bewältigen könnte. Im Gegenteil, durch Langsamkeit wird die Spannung ja bekanntlich größer denn je. Wobei man natürlich Sorge tragen muss, nicht den Faden der Handlung zu verlieren, die, wie man jetzt erst bemerkt, doch recht verschlüsselt ist.

Warum man es eigentlich mitnahm, das kryptische Werk – man kann es, träge sinnend, bald nicht mehr eruieren. Schwer fällt inzwischen auch das Erspüren des Zusammenhangs zwischen drei, vier aufeinander folgenden Sätzen. Vermutlich hat sich der Autor hier ganz der Post-Postmoderne hingegeben; welch genialer Stilwechsel nach einem Viertel des Buchs! Alle Achtung, denkt man – aber eigentlich reichen für diese Erkenntnis auch die bereits genossenen Romanhäppchen, oder? Wäre es nicht wohltuender, sich stattdessen dem 23.45-Uhr-TV-Krimi hinzugeben, der pfiffig gemacht ist und spannend wie nie? Und erst der um 3.13 Uhr! Erlesene Kost allesamt.

Überhaupt scheinen Fernsehkrimis die Crème aller Unterhaltung zu sein, das spürt man jetzt deutlich. Vorbei die Zeiten, als man derlei zu seicht fand; eine Kluft tut sich plötzlich auf zu den Mitreisenden, die sich durch den hochphilosophischen Mankell beißen und behaupten, diese Schwerstarbeit bereite Vergnügen! Wozu nur sich anstrengen, warum überhaupt anderes tun als fernsehen, denkt man, während man in die letzte Ferienwoche hineindämmert. Wurde das Leben nicht allein zwecks Fernsehkonsums erfunden?

Und eigentlich könnte dieser Urlaub ganz wunderbar sein, wären da nur nicht die Mitreisenden, die einen ständig zu endlosen Strandwanderungen animieren! Mühsam schleppt man sich hinterher – und fühlt sich allein, ganz schrecklich allein mit seiner Erkenntnis des einzig Wahren und Lebenswerten. Petra Schellen

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