: Ab in die Brüllkiste
Für immer backstage sein: Wie man bei Siemens zur „Fachkraft für Veranstaltungstechnik“ ausgebildet wird
Bei Konzerten backstage sein zu dürfen ist für viele Fans und selbst für Musikjournalisten – eine unerreichbares Highlight. Wer aber schon immer hinter der Bühne schnüffeln durfte, das sind die so genannten Stagehands, die Träger von Scheinwerfern, Boxenklötzen und vielleicht auch mal Instrumentenkoffern. Heute ist die Logistik von Konzertevents ein technisch hoch aufwendiges Unternehmen. Um den korrekten Ablauf einer Madonna-Show zu garantieren, braucht es monatelange Vorbereitung, jede Menge Computerprogrammierung und einen reibungslos funktionierenden Wanderzirkus.
Für Jobs in der Branche, die boomt – jedes mittlere Betriebsfest will heute mindestens ein paar bunte Scheinwerfer und guten Sound –, gab es bis vor kurzem kein Ausbildungskonzept. Jedenfalls kein in Deutschland als Lehrberuf anerkanntes. Damit man sich bei den Stones nun aber mit einem Ausbildungszeugnis bewerben kann, gibt's seit August 1998 die „Fachkraft für Veranstaltungstechnik“.
Der Großkonzern Siemens hat in Berlin deshalb eine etwas großspurig benannte Media Academy gegründet. Seit Beginn dieses Jahres werden am Spandauer Nonnendamm in einer vormals leer stehenden großen Etage eines Produktionsgebäudes die ersten professionellen Bühnentechniker ausgebildet. Unter der Leitung des umtriebigen Uwe Behns, früher einmal beim Fernsehen der DDR tätig, ist in Spandau eine fast freakig wirkende Schule entstanden. Auf dem langen Gang mit seinen Glasfenstern nach rechts und links sitzen junge Leute und büffeln, basteln und bauen.
Behns führt stolz durch sein Reich. Er hat Siemens diesen Ausbildungsgang abgerungen. Er ist der Mann, der sich die Finger wund telefoniert, um Kompensationsgeschäfte einzufädeln, die den SchülerInnen nutzen. Wenn Behns eine paar neue superschnelle Rechner braucht, ruft er nicht bei Siemens in München an, sondern bei Leuten, die ihm durch einen Gefallen verbunden sein könnten. Oder denen seine wendige Einsatztruppe einen Gefallen tun könnte. Hatten sie da nicht zu ihrem Geburtstag eine Band einladen wollen? Ja, haben Sie denn schon ein Mischpult und ein vernünftiges Bühnengerüst? Behns’ Leute von „Szenario“ sind zwar noch in der Ausbildung, sind aber in der Lage, so ziemlich jedes Event zu meistern.
Behns führt uns zu einer großen Garage auf dem Siemens-Gelände. Die wird gerade umgebaut zum Veranstaltungssaal. In dem Bau befindet sich auch das Lager der Veranstaltungstechniker. Jede Menge Kabel, Scheinwerfer, Klebeband, Werkzeug, alles, was man zum Krach- und Lichtmachen so braucht. Wenn was fehlt: Entweder selbst bauen, oder Behns geht ans Telefon.
Sogar ein eigenes kleines Tonstudio hat man sich eingerichtet. Hier können die Auszubildenden dann auch mal selbst Musik machen und am Computer bearbeiten. Klar, dass auch diese PCs „Geschenke“ sind.
Als wir bei Siemens zu Gast sind, läuft gerade die Vorstellung des „Jugend forscht“-Landeswettbewerbs. Auf dem weiten Weg zum Festsaal kommt man an einem Lagemodell des Siemens-Standorts vorbei. Bei nicht wenigen Produktionsstätten auf dem Gelände hat man sorgfältig ein „stillgelegt“ hinter den ehemaligen Zweck gepinselt. Noch vor einigen Jahren waren Siemens und Alcatel Monopolisten bei der Zulieferung an die Post, Abteilung Fernmeldewesen. Nicht wenige der deutschen Telefonzelleninhalte stammen aus Spandau oder Tempelhof.
Für „Jugend forscht“ haben Behns’ Leute eine mittelgroße Bühne in der Mosaikhalle aufgebaut. Ohne bunte, sich auf Knopfdruck drehende Flashlights geht auch hier nichts. Immerhin wird der Berliner Kultursenator erwartet. Als es gleich zu Beginn eine heftig fiepende Rückkopplung gibt, geraten die Jungs hinterm Mischpult trotzdem nicht in Hektik. Da haben die Semiprofis der Juniorfirma Szenario schon größere Events gedeichselt. So auch den Siemens-Auftritt auf der Expo Hannover. Oder seit 1996 jedes Jahr den Neujahrsempfang des Siemens-Vorstands. Was eben so zur Übung für den Ernstfall anfällt. So kompliziert sei die Sache nun auch nicht, erzählt einer. Man gruppiere die Maschinerie eben um die Grundelemente jeder Show: Wackeleimer und Brüllkiste. Scheinwerfer und Boxen eben. ANDREAS BECKER
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