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Der Feind ist der Fan

Die Musikindustrie hat das Internet verschlafen und verprellt jetzt mit wirkungslosen Kopierschutzsystemen ihre besten Kunden

von VERENA DAUERER

Der Streit um die Musik, die umsonst aus dem Netz kommt, strebt jedes Jahr einem neuen Höhepunkt zu: Im Spätsommer findet in Köln die Musikmesse Popkomm statt. Vor zwei Jahren begann dort die Hatz auf die Raubkopierer unter der kühnen Parole „Copy Kills Music“. Gemeint waren aber eigentlich nur die angeblich herben Verluste der Musikindustrie. Zeitgleich begann der freie Wettbewerb der Kopierschutzprogramme wie „Safeaudio“, „Cactus Data Shield“ oder „Key2Audio“. Leider erwiesen sie sich alle etwa so einbruchsicher wie ein Scheunentor und waren veraltet, bevor sie auf den Markt kamen.

Schuld daran ist unter anderem Professor Edward Felten aus Princeton. Letzte Woche hat er seine fachlichen Erkenntnisse öffentlich vorgestellt. Er hatte bei einem Wettbewerb der Secure Digital Music Initiative (SDMI) beinah alle vorgegebenen Kopierschutzsysteme geknackt und ging mit seinem spektakulären Hack in die Geschichte ein. Nur durfte er bisher eigentlich nichts darüber sagen, denn die Recording Industry Association of America maulte und schikanierte ihn so lange, bis er sie im Frühjahr dafür verklagte.

In Kanada wird gerade ein Gesetz nach Art des Digital Millennium Copyright Acts (DMCA) verhandelt, in Europa steht das Cybercrime-Abkommen noch aus. Besagtes Gesetz soll das Urheberrecht im Netz und an anderen digitalen Orten schützen, indem es auch die so genannten Umgehungstechnologien verbietet, alle Gerätschaften oder Software also, mit denen man irgendwas irgendwo unerlaubt kopieren könnte.

Für Raubkopierer sieht es demnach schlimm aus und traurig für die alte Napster-Gemeinde, seit die Applikation als Bertelsmann-Ableger kostenpflichtig ist. Das waren noch im Januar schöne Zeiten, als Napster bei den Marktforschern von Jupiter MMXI Platz sechs der Surfcharts erreichte und die User monatlich zwei Stunden mit Napster surften: damit exakt genauso viel wie mit dem Finanzdienstleister Diraba.de.

Wer ist Diraba? Wie viel Musik kann in zwei Stunden monatlich über eine durchschnittlich lahme ISDN-Leitung aus dem Netz geholt werden? Unbekümmert um solche Fragen, meckerte der Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft und wedelte mit einer Studie der GfK: Seit 1999 gebe es 13 Prozent weniger Umsatz bei CDs und Singles, sogar ein Viertel weniger Sampler sei verkauft worden.

Das heißt also, dass bei der „Schulhofpiraterie“ hauptsächlich Hit-Eier gebrannt werden wie „Bravo Hits“ und „Kuschel Rock“. Im Gegenzug gingen dafür mehr Musikkassetten und LPs über die Theke, wenn auch mit deutlich weniger Marktanteil. Der Umsatzrückgang der CDs lässt sich nicht schwarzer-Peter-mäßig dem Schwarzkopieren zuschieben, die Kids kaufen einfach mehr PC-Games. Da könnte man der Musikindustrie genauso vorwerfen, sie produziere zu wenige Hits.

Richtig dagegen ist, dass sich die Zahl der Heimbrenner im letzten Jahr verdoppelt hat. Rund 13 Millionen Leute aller Altersklassen, hauptsächlich aber Zwanzig- bis Dreißigjährige, haben sich durchschnittlich 10 Musik-CDs gebrannt. Insgesamt macht das eben auch doppelt so viele CDs, nämlich 133 Millionen. Wobei man davon ausgeht, dass bei 13 Prozent der PC-Besitzer auch ein CD-Brenner neben der Festplatte steht. Das bedeutet, dass jeder zweite gekaufte CD-Rohling fürs Brennen von Musik verwendet wird, weil, na klar, weil es gratis aus dem Netz ist. Aber die nächsten Gründe sind, dass man sich von den durchschnittlich 77 MPEG-Stücken pro User die CD selbst zusamenstellen kann, dass man online schneller, mehr und oft neuere Tracks findet, die es nicht zu kaufen gibt. Da hätten die Plattenlabels bei ihrem Onlineservice doch sicherlich noch Nachholbedarf.

Ganz so böse, wie es scheint, sind die Kids heute aber nicht. Sie würden auch mal für Musik zahlen. Wären MPEGs kostenpflichtig, wäre knapp die Hälfte der Befragten einer TNS-Emnid-Studie dafür bereit, ganze vier Mark pro Track auszugeben. Aber Service mit Noten, Lyrics und Hintergrundgeschichte soll schon dabei sein. Eine Flatrate für MPEGs fand ein Viertel der User ansprechend, wenn die nicht mehr als 25 Mark im Monat fürs unbegrenzte Runterladen kostet, ein Abo für eine Sparte darf es ebenso gern sein. Das Brennen auf CD muss sein, für 90 Prozent ist das keine Frage, und immerhin 83 Prozent würden dafür auch bezahlen, könnte man MPEGs nicht mehr so einfach brennen. Nur gut ein Zehntel der Surfer hört downgeloadete Musik rein über den PC.

Klingt vielversprechend, und auf dieses Zielpublikum setzt auch die Hollywood-Produktionsfirma Universal Pictures mit ihren DVDs, dem Medium, das in allen Studien bis jetzt vernachlässigt wurde. Kennerschaft und Quantität seien für Kauf oder Nichtkauf entscheidend, und deshalb ist Universal der Meinung, ihre DVDs seien multimedial so voll gepackt, dass sie auf die heutigen DVD-Rohlinge gar nicht passen würden, also rein von der Datenmenge nicht kopierbar seien. DVD-Gucker wüssten das zu schätzen und allein schon dafür respektvoll bezahlen. Vdauerer@t-online.de

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