unterm strich:
Man denkt, die Theater würden schlafen in dieser sommerpausigen Zeit oder ihre Bühne putzen lassen, während alle Schauspieler, Intendanten, Regisseure und Kostümbildner im Süden entspannt Orangina süffeln – aber weit gefehlt. In Wirklichkeit sind alle sehr, sehr angespannt im August. Weil sie auf das Jahresheft der Zeitschrift Theater Heute warten. Während der Spielzeit verfluchen sie die Kritiker ja stets ordentlich, aber dann wollen sie doch wissen, wen diese nun in den Olymp wählen. Hier erste Ergebnisse: Frank Baumbauer konnte ja ausnahmsweise den Titel des Theaters des Jahres für sein Haus nicht einheimsen, da er momentan gar keins hat. Ein bisschen blieb der Titel jedoch in der Familie: Theater des Jahres 2000/2001 wurde das Zürcher Schauspielhaus, dessen neuer Intendant Christoph Marthaler und deren Chefdramaturgin Stefanie Carp viele Jahre mit Baumbauer gearbeitet haben. Glückwunsch!
Die Entscheidung fiel denkbar knapp aus: 14 von 41 Kritikern votierten für das Zürcher Haus, 13 für das Wiener Burgtheater. Das altehrwürdige, in den Augen mancher auch recht verstaubte Theater hat aber keinen Grund für Missmut: Zum einen war es bereits im Mai durch vier Einladungen zum Berliner Theatertreffen geehrt worden, zum anderen darf es sich indirekt mit dem Regisseur des Jahres schmücken: Peter Zadek erhielt diesen Titel vor allem für seine an der Burg entstandene Inszenierung „Rosmersholm“. Der 70-Jährige steht damit bereits zum fünften Mal seit 1984 an der Spitze. Gefolgt wird er von Michael Thalheimer, den die meisten Kritiker für seine grandiose „Liliom“-Interpretation ehrten.
Die Auszeichnung als „bester Schauspieler“ muss sich nach Angaben der Redaktion „eine ganze Fußballmannschaft teilen“. Je drei Stimmen entfielen auf den am 21. Juli gestorbenen Einar Schleef als Nietzsche in „Verratenes Volk“ am Deutschen Theater Berlin und auf Michael Maertens, Gert Voss, Henry Hübchen, Ueli Jäggi sowie Bruno Ganz, der zum zweiten Mal nach 1973 als Faust gefiel. Über die Schauspielerin des Jahres war noch nichts zu erfahren. Als „Ärgernis des Jahres“ wurde von den Journalisten die Generationendebatte genannt, was insofern verwundert, als sie die doch vom Zaun gebrochen haben.
„Was lange währt, wird endlich gut“: So kommentierte die – erst kurzzeitig agierende – Berliner Kultursenatorin Adrienne Goehler am Dienstagabend den Beschluss der Personalkommisiion des Berliner Senats, mit dem Dirigenten Sir Simon Rattle einen Zehnjahresvertrag als künstlerischer Leiter der Berliner Philharmoniker abzuschließen. Um die Vereinbarung mit Rattle als Nachfolger des schwer kranken Claudio Abbado hatte es mehrfach Irritationen gegeben. Dabei ging es unter anderem um die Stiftung, die den Philharmonikern größere Eigenständigkeit einräumen soll, und bessere Gehaltsbedingungen der Musiker. „Die Person Rattle am Dirigentenpult verspricht nicht nur große künstlerische Erfolge, sondern auch mutige musikpädagogische Konzepte“, meinte Goehler. Durch die Zusammenarbeit von Rattle mit dem neuen Intendanten Franz-Xaver Ohnesorg und die Umwandlung der Philharmonie in eine Stiftung seien wegweisende Akzente für Berlin gesetzt worden. Die Stiftung erhält im Jahr 2002 Subventionen in Höhe von 28 Millionen Mark, die bis 2005 auf knapp 29 Millionen Mark aufgestockt werden sollen.
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