: Der Sheriff der Weltmeere
Keine Gnade für Verklapper: Herbert Meyer-Freese düst auf Öko-Patrouille über Weser und Nordsee ■ Text und Fotos: Kai Schöneberg
Die Vögel sterben, wenn sie das Flugzeug sehen, die Einmachgläser fallen aus den Regalen, wenn es vorbeirumpelt, sogar die Schiffe würden gestört - das waren ungefähr die Vorbehalte, die Herbert Meyer-Freese zu bewältigen hatte, bevor er mit seinem Flugboot zum ersten Mal vom Weserwasser am Lankenauer Höft abheben durfte. „Die Jäger hatten Einwände, der Ortsbeirat mäkelte, die Umweltfritzen, die waren besonders dagegen“, ärgert sich Meyer-Freese noch heute. Jetzt hat er es ihnen gezeigt: Vor knapp einem Monat ergatterte er mit seinen Flugbooten Albatros I und II den Auftrag der Deutschen Küstenwache, Nordsee und Weser zu kontrollieren - nach Umweltsündern.
„Achtung, Achtung, Albatros unterwegs“ - wie die Blitzermelder im Radio warnt der Seefahrerfunk vor den Öko-Sheriffs aus Bremen. Gleichzeitig pest Meyer-Freese samt Albatros II mit 200 Sachen vom „Meldepunkt November“ westlich Richtung Jadebusen. Wind Nordost, Cumulus-Wolken, Sicht mehr als zehn Kilometer.
Albatros auf Pirsch
Unten zuckt ein Schwimmer wie ein Mini-Wasserläufer durch einen Spielzeugsee. Hier oben ist die Stimmung gespannt. Da, die Meeresbucht!
Meyer-Freese auf der Pirsch: Karte auf den Knien, linke Hand mal am Funkgerät, mal am Fotoapparat, mit der Rechten hält er das Steuerrad, an dem ein GPS-Gerät zum Navigieren hängt. Der Pilot ist in seinem Element: „Es gibt so viel menschlichen Leichtsinn! Wenn ich einen schnappe, geht`s rund.“
150 Meter tiefer, an der Kaje der Raffinerie nördlich von Wilhelmshaven, liegen die ersten dicke Pötte des heutigen Kontrollflugs - möglicherweise haben sie Böses im Sinn. Meyer-Freese: „Bei der Raffinerie musste besonders doll gucken - da fliege ich zweimal lang.“
Experten schätzen, dass pro Jahr zwischen 71.000 und 150.000 Tonnen Öl allein in der Nordsee landen - illegal. Auf das Verklappen von Öl, Chemie oder anderen Schadstoffen stehen Strafen in Höhe von bis zu 100.000 Mark.
Nicht jeder schert sich drum. Am Dienstag wurde ein 26 Meter langer Ölteppich vor der Küste Rügens gesichtet. In der Nordsee wäre das vielleicht nicht passiert - auch dank der Albatrosse von Herbert Meyer-Freese: „Schrecken der Weltmeere würde ich nicht sagen, aber aufpassen tu` ich schon.“ Früher hätten erwischte Skipper die Patrouillenflugzeuge mit Steinen beworfen -“so sauer waren die!“, erzählt Meyer-Freese. „Aber wenn`s hier knallt, ist die Touristenregion um Inseln und Küste für zwei Jahre komplett erledigt. Und wenn der Tiefwasserhafen nach Wilhelmshaven kommt, haben wir noch zehn mal so viel Schiffe.“
Damit der Öko-Gau ausbleibt, haben die Albatrosse Funk, Handy und Digitalkameras an Bord, um bei der Zentralen Meldestelle Küste (ZMK) in Cuxhafen im Falle des Falles per See- oder Flugfunk Verstärkung anzufordern. Die ZMK hetzt dem Verklapper sofort die Wasserschutzpolizei auf die Kajüte. „Die fahren da mit Vollspeed hin, inspizieren das Schiff und nehmen Proben“, erklärt Meyer-Freese. Per Analyse läßt sich sogar zurückverfolgen, aus welchem Fördergebiet das Öl stammt - wichtig für die einwandfreie Identifizierung des Sünders.
Dicke Pötte auf Reede
Die Schiffe im Jadebusen sind „sauber“, Meyer-Freese winkt ab: „Alles roger, die braunen Wasserwölkchen sind nur aufgewühlter Schlick.“ Sanft zischt er jetzt mit seinem orange-blau-weißen Flugboot in Richtung Deutsche Bucht. Der Albatros sinkt auf 150 Meter Flughöhe: Unweit der ostfriesischen Inseln liegen die richtig dikken Pötte aus aller Welt auf Reede, bevor sie in Richtung Weser, Elbe und Hamburg schippern.
Hier dümpelt die „Ilvestig“, ein rund 200 Meter langes Containerschiff aus Valetta, da liegt die „Elbe III“, ein Ölkutter aus Hamburg. Schwarze, gelbe, blaue und grüne Schiffe. Der Albatros geht tiefer, umrundet jeden auch noch so kleinen Kutter. „Die sind brav“, meint der Pilot zufrieden. „Sie wissen halt nie, wann wir wo unterwegs sind“, sagt Meyer-Freese. „Das ist das Tückische: Wir arbeiten regelmäßig zu unregelmäßigen Zeiten.“
Seit 1982 - der Zeit der großen Dünnsäure-Verklappungen - fliegt die Deutsche Küstenwache Streife auf der Nordsee. Gemeinsam mit den Fliegern der Bundeswehr überwachen sie die Küste zwischen Dänemark und den Niederlanden. „Seitdem haben sich die Öko-Havarien um 80 Prozent vermindert. Aber es muss ganz aufhören“, betont Meyer-Freese, dessen Bremer Firma Wefa Luftwerbung die Kontrollen im Juli übernommen hat. Für 150 Flugstunden pro Jahr gibt die Deutsche Küstenwache Geld. Früher, als die Flieger noch von Wangerooge aus starteten, habe es 40 Meldungen pro Jahr gegeben, sagt der Umwelt-Pilot. „Heute ist es ruhiger geworden - die Kontrollen dienen oft nur noch der Abschreckung.“
Kleine Mittagspause am fast verwaisten Flugplatz Bremerhaven-Luneort, dann geht`s über der Weser nach Hause. Über Elsfleth checkt der Albatros ganz besonders genau die Baggerarbeiten am Flussbett ab, bei Brake dreht er eine Ehrenrunde: War da nicht doch ein Ölfilm auf der Weser? Zum Glück alles Fehlanzeige. Doch Meyer-Freese kommt wieder: „Wenn ich einen erwische, gibt‘s keine Gnade.“
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