: Borderline-Entertainment
Bernd Begemann gastiert vier Abende mit Freunden im Schlachthof ■ Von Alexander Diehl
Er kann charmant sein, keine Frage. Als Bühnenperson, sagen wir: als Entertainer, ist Bernd Begemann eine Besonderheit. In rund acht Jahren seiner Solokarriere – dazu kommen noch die in seiner Band Die Antwort – gelang es dem gebürtigen Bad Salzuflener zumeist, den Grat zwischen elektrifiziertem Singer-Songwritertum und geschwätziger Kleinkunst zur richtigen, der erstgenannten Seite geneigt zu beschreiten. Dass mancherorts gleich der „beste Entertainer neben Harald Juhnke“ (Intro) aus ihm gezimmert wurde, zeugt vor allem davon, dass jene Position – hierzulande – ansonsten keine ernst zu nehmenden Kandidaten aufzuweisen hat.
Mag sich Begemann auch als Schauspieler versucht haben, als Fernsehgastgeber und überhaupt Sich-in-allen-Medien-Platzierer, auf dessen Bild und Ansichten das Publikum zeitweise fast unausweichlich stieß: Am besten – und es gibt sie, die bösen Stimmen, die sagen: einzig gut – ist er auf der Bühne, eine Gitarre und eine veraltete Beatbox dabei. Dann singt er diese pointierten, gleichermaßen ins Leben vernarrten wie von ihm desillusionierten Geschichten aus den zwischenmenschlichen Kampfzonen und Krisengebieten. Da geht es um das mäßige Glücksgefühl, wenn sich die übrig Gebliebenen und Verlierer ineinander verlieben. Oder um die Apokalypse, die ein fernsehendes Ehepaar ereilt. Oder um den ersten Geburtstag in der eigenen Wohnung.
Sie wollen aber gar keine Kurzgeschichten erzählt bekommen, wenn Sie ein Konzert besuchen? Sie wollen rocken? Je vollmundiger die Erwartungen an ihn herangetragen werden, desto mehr gefällt sich Begemann in der Rolle des Enttäuschers. Alternativ sich wähnendem Publikum liefert er den bekennenden Spießbürger und singt Loblieder auf den Lebensabend in Doppelhaushälfte und Zweitkombi. Diejenigen, die er als Politfraktion ausgemacht zu haben glaubt, bekommen eine Extraportion Privatismus in die Suppe; zu Beginn der 90er Jahre neigte er dazu, sich als den Ausgestoßenen der so genannten Hamburger Schule zu inszenieren: Mit Texten, die nach einem Verständnis für die Nation der Täter fahndeten oder befremdliche Nostalgie für nie kennen gelernte Wehrmachtslandser formulierten, musste er die Kollegen des Hamburger poplinken Undergrounds vor den Kopf stoßen, die zur gleichen Zeit in Diskussions- und Aktionsformen wie den „Wohlfartsausschüssen“ aktiv waren. Wohlgemerkt: Ein Opfer irgendwelcher Diskriminierungen hat dieser Konflikt aus Begemann nicht gemacht, da standen wohl auch im überschaubaren Umfeld die Zeichen längst ganz anders. So ist Begemanns zuweilen arg aufgesetztes An-Tabus-Rühren eine Farce; schlicht, weil er sich fast immer auf Seiten der Mehrheitsbeschaffer und Regelfestleger wähnen kann.
Erstmals lässt sich jetzt auf seiner anstehenden Live-Platte eine beinahe authentische Bernd Begemann-Experience auch zu Hause reproduzieren; bereisen Sie niedersächsische Audimaxe und Kleinkunstbühnen im Ruhrgebiet, ohne die eigenen vier Wände zu verlassen. Aber noch besser ist: Erleben Sie tatsächlich live, wie Onkel Bernd sein Publikum zu allerlei Mitmachschnickschnack verleitet, dessen Ergebnis er dann auch schon mal „scheiße“ findet. Lachen oder weinen Sie Tränen, wenn der ehemals bekennende „romantische Rothenburgsorter“ (der besagten distinktionsstiftend uncoolen Stadtteil längst in Richtung der üblichen hippen Viertel verlassen hat) zwischen Zerknirschung und Behagen, großer Klappe und großer Liebe für die Welt, wechselt wie seine Hand die Akkorde. Sie haben vier Abende Zeit.
Sonntag und Dienstag bis Donnerstag, je 20.30 Uhr, Schlachthof
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen