: Ohne Deutsch keine Chance
In der Diskussion um einen verbindlichen Sprachunterricht für Zuwanderer entdeckt die SPD mehr Gemeinsamkeiten mit der Union als mit dem grünen Koalitionspartner. „Genugtuung“ bei der CDU
von ANDREAS SPANNBAUER
Sollen Einwanderer zum Besuch von Deutschkursen gezwungen werden und im Falle ihres Fernbleibens den Anspruch auf eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis verlieren? Der Streit um diese Frage, die durch den Entwurf für ein Zuwanderungsgesetz von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) neue Brisanz bekommen hat, erreicht nun auch den rot-grünen Senat. Denn in der Übergangsregierung existiert offenbar keine einheitliche Vorstellung darüber, wie mehr Integration gewährleistet werden kann. „Es gibt bisher keine abgestimmte Position in der Koalition“ sagte der migrationspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Thomas Kleineidam, gestern.
Roland Gewalt, innenpolitischer Sprecher der CDU, hatte den Senat zuvor aufgerufen, in der Debatte um ein Integrationsgesetz im Bundesrat eine klare Linie zu vertreten. Angesichts der hohen Zahl der in Berlin lebenden Ausländer sei der Senat besonders gefordert.
„Mit großer Genugtuung“, so Gewalt, habe er zur Kenntnis genommen, dass Schily mit seinem Vorschlag für verbindliche Deutschkurse einen Gedanken aufgreife, den die CDU schon 1999 zusammen mit der SPD in der Koalitionsvereinbarung festgehalten habe. „Einem Ausländer, der die Teilnahme verweigert, kann eine Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis versagt werden“, skizzierte Gewalt die Forderung der Union. „Wir wollen klar machen, dass das nicht irgendein Pipikram ist.“ Im Gegenzug müsse sich der Staat dazu verpflichten, jedem Zuwanderer die Teilnahmemöglichkeit an einem qualitativ hochwertigen Sprachunterricht zu garantieren.
Neben einem Sprachkurs sollen Zuwanderer nach dem Willen der CDU auch so genannte Integrationskurse besuchen müssen. Darin sollen in 100 Pflichtstunden „Kenntnisse der deutschen Gesellschafts- und Wertordnung“ vermittelt werden. Für die Finanzierung – die Kosten werden jährlich auf rund 600 Millionen Mark geschätzt – soll der Bund aufkommen.
Bei der SPD stößt die Forderung nach einer Pflicht zur Teilnahme am Sprachkurs weiterhin auf Zustimmung. Er sei „im Prinzip dafür“, die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung an den Besuch eines Deutschkurses zu koppeln, sagte der migrationspolitische Sprecher Kleineidam. „Wer nicht Deutsch kann, hat auf dem Arbeitsmarkt kaum Chancen.“ Im Rahmen der großen Koalition hätten sich „die Positionen von SPD und CDU angenähert“. Es müsse aber Ausnahmen für Härtefälle, etwa Analphabeten und Rentner, sowie verstärkte Anreizsysteme geben.
Die Grünen lehnen die Kopplung des Aufenthaltsstatus an den Besuch von Sprachkursen dagegen konsequent ab. „Man kann jemanden nicht durch Sanktionen zum Erlernen einer Sprache bewegen“, sagte der bildungspolitische Sprecher, Özcan Mutlu. Statt auf Zwangsmaßnahmen zu setzen, solle der Staat Anreize bieten. Wer einen Sprachkurs erfolgreich absolviert habe, könne etwa schon nach einem Jahr in den Genuss eines unbefristeten Aufenthaltstitels kommen. Dies ist bisher erst nach drei Jahren möglich. Zudem könnten Beschränkungen bei der Jobvergabe, nach denen Migranten nur solche Arbeiten annehmen dürfen, für die sich weder ein Deutscher noch ein EU-Bürger interessiert, bei erfolgreichem Erwerb von Deutschkenntnissen wegfallen. „Zwangsmaßnahmen nützen überhaupt nichts. Das kennt man doch aus der Schule.“
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