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„Jeder Nörgler müsste über Attac jubilieren“Plattitüden statt grünem Profil

betr.: „Die Grünen und die Globalisierungsgegner“, taz vom 25./26. 8. 01

Seit der Kritik von Daniel Cohn-Bendit an den deutschen Grünen ist hektische Betriebsamkeit in der Partei ausgebrochen. In einer ersten Reaktion erklärte Fraktionssprecherin Kerstin Müller, sie hätten die neue globalisierungskritische Bewegung unterschätzt, und in der taz spricht sie sich nun sogar für einen intensiven Dialog aus. Das mag ja schon mal ein Schrittchen in die richtige Richtung sein, überdeckt aber keinesfalls die grundsätzlichen Defizite der Grünen im Bundestag oder der Partei insgesamt.

Die Erfahrungen der Antiatombewegung (Atomkonsens) und der Friedensbewegung (Luftangriffe auf Exjugoslawien) machen andererseits klar, wie schnell die Gemeinsamkeiten zwischen der Regierungspartei Bündnis 90/Die Grünen und sozialen Bewegungen an Grenzen stoßen. Auch innerparteilich ist eine intensive Diskussion über die Rolle der Partei erforderlich. Die Plattitüden unter der Überschrift „Globalisierung schafft eine neue Welt“ im Entwurf des Grundsatzprogramms lassen jedenfalls kein grünes Profil erkennen! Das vage Versprechen, sich für eine ökologische und soziale Weltwirtschaftsordnung einzusetzen, ist doch bitter wenig. So bleiben die Grünen beispielsweise die Antwort darauf schuldig, ob sie sich auf die Funktion als Regierungspartei reduzieren lassen wollen, oder ob sie sich auch als eigenständige politische Kraft begreifen. HEINZ-DIETER SIMON, Menden

Kerstin Müller behauptet im taz-Gespräch, ohne die Grünen sei die Entschuldungsinitiative des Kölner Gipfels gar nicht zu Stande gekommen. Diese bei beiden Regierungsparteien sehr beliebte Sicht auf den Kölner Gipfel hält einer Überprüfung nicht stand.

Tatsache ist: Nach den ersten Vorschlägen des Bundeskanzlers zur Verbesserung der bis dahin geradezu kontraproduktiven Entschuldungsinitiative von 1996 („HIPC“) hatten bis zum April 1999 alle G-7-Regierungen eigene Vorschläge für eine Verbesserung unterbreitet. Diese lagen alle mehr oder weniger auf der Linie dessen, was später beschlossen wurde. Davon, dass die Bundesregierung die G 8 „erst mal überzeugen“ musste, kann keine Rede sein.

Unzutreffend ist auch der von Frau Müller genannte Umfang der Entschuldung. Bis heute haben nicht 39 der ursprünglich 41 „schwer verschuldeten armen Länder“, sondern nur 23 die Zusage für einen Schuldenerlass erhalten. Das Entlastungsvolumen beläuft sich mit nominal 34 Mrd. $ nicht auf die Hälfte der von Frau Müller genannten Zahl. Mit kleinen Gemeinheiten im Zuge der Umsetzung sorgen die Gläubiger im Übrigen dafür, dass einige Länder, wie zum Beispiel Sambia, de facto überhaupt nicht entlastet werden, sondern in den nächsten fünf Jahren sogar mehr zu zahlen haben werden, als sie vor ihrer „Entschuldung“ unter der Kölner Schuldeninitiative aufgebracht haben. JÜRGEN KAISER,erlassjahr.de – Entwicklung braucht Entschuldung, Siegburg

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