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Wir kommen vom Autorennen

Mit frischen Spare Ribs und archäologisch interessanter Holzkohle den Titel holen

Achtzehn Stück rotes Fleisch mit grünem Dings drauf, als nachträgliche Wegzehrung

Nachdem Michael Schumacher am 19. August Weltmeister geworden war, musste vergangenes Wochenende im belgischen Spa-Francorchamps beim 14. Lauf zur Formel-1-WM 2001 ein anderer den Titel gewinnen.

„Zeltbaumeister wirst du nie!“, knurrt Kommandeur Krautauch vor Fahrtantritt am Mittwoch. „Deshalb kommst du ja mit!“, erwidere ich. Debütant H. Suppa entfacht nervös eine zweite Schachtel Marlboro. Mit Blick auf das rote Basecap des Schirmmützensammlers merkt Krautauch an, er, Suppa, stehe „wohl merchandisingmäßig voll hinter der Scuderia Ferrari Marlboro“.

Der Pkw rollt auf die Autobahn, da beginnt Zeltaufbauhelfer Krautauch den Venturi-Effekt zu rühmen. „Also, es raucht immer nur einer, und es wird immer nur ein Fenster geöffnet. Wie eine Abzugshaube funktioniert das, Venturi zufolge, der den Unterdruck für den unschlagbaren Zweizylinder nutzbar machte. Suppa, du bist nicht dran!“ Beim Zwischenstopp in der Prümer Stiftsklause versucht Suppa heimlich zu qualmen. Krautauch übt das Ausweichen vor den Schwaden, und auf der Kuhwiese Francorchamps’ taucht er dann grazil unter blauen Schlieren weg. Suppa hebt mit dem Klappspaten eine „Gewitterschutzrinne“ um sein Zelt aus. Der im Audi-Overall die Besiedlungsprozedur überwachende Zeltmeister lobt das Projekt und stoppt es. „Grillen jetzt!“, und zwar „auf befriedigendem Equipmentniveau“. Die frischen Spare Ribs und die „archäologisch interessante Holzkohle aus Tschechien“ sind gebongt. Suppa und Krautauch zernagen zwei Tüten voller Rippchen. Mein Votum: „Gebt der Geflügelwurst eine Chance!“, zerschellt an den Tannenwaldhängen der spätsommernachtstraumhaften Shakespeare-Idylle.

1. Donnerstag: Gerade rücken die Wegberger Freunde Pauli, Kinski, Rudi und Thomas an, schon lässt sich Krautauch, ein wenig wehmütig angesichts der Kühlboxen, Holzkohlesäcke und Grillstationen, die entladen werden, gen Spa zum Bahnhof spedieren und wünscht ein „ordentliches Rennen mit vielen Arschgesichtern around the ring“. Auf dem Flughafen Spa/La Saveniere geschieht das Wunder. Während Suppa nach der Kamera kramt, schwebt ein Hubschrauber ein. Ihm entschlüpft der „Wundermann“ (Daily Mail), der, das sehe ich an dem vor Muskelkraft strotzendem Gang, seinen 52. Grand-Prix-Sieg erringen und Alain Prosts Weltrekord pulverisieren wird. Ich erwarte ihn am Dienst-Alfa, nicke ihm aufmunternd zu, er streift meinen Arm, und Suppa sucht den Fotoapparat.

2. Freitag: Sein historisches Versagen quittiert Suppa damit, für den ersten Tag an der Piste –wie Michael Schumacher – Nikes zu wählen. Er legt auf den glitschigen Trampelpfaden bizarre Pirouetten hin, die Wegberger Mannschaft applaudiert. Suppa preist sein Schuhwerk („Ihr Drecksäue!“), Diskursanalytiker Kinski bejubelt das sekündlich steigende Gesprächsniveau („Wat ein Käu!“), Grillmeister Pauli erwägt, Herrn Suppa später die Europäische Grillnadel 1. Klasse zu verleihen.

3. Samstag: „This is a circuit, which seperates men from boys“, lichtet das Programmheft die Nebel rund um den Kurs. Ein Training (der Boliden) findet zunächst nicht statt. „Wo bleibt ihr Ärsche?“, erkundige ich mich. „Der mündige Verbraucher meldet sich zu Wort“, kommentiert mein Bruder das exciting car waiting. Suppa raucht „wie ein Mann“. Den abendlichen Firecontest entscheidet Wegberg für sich – „achtzehn Stück rotes Fleisch mit grünem Dings drauf“ (Thomas), als nachträgliche Wegzehrung. Holzhooligan Rudi zersägt den halben Weidezaun und spuckt Fackelfeuer. Dem Frankfurter Gallus-Chinesen Suppa läuft die Galle über. Zum Ausgleich erringt er die Krone des Randalierkönigs. Weil der Ghettoblaster die zweite Stones-Kassette frisst, packt er „die Sau“ und drischt sie über den letzten Zaunpfahl – sodass der Pete Townshend des F-1-Business beruhigt zur Budengasse abdampfen und noch King of Merchandising-Erwerb werden kann. Der Rest betreibt Grillen bis zum Crash, d. i. Brechen.

4. Sonntag: Die holländischen Nachbarn wecken uns um 7 Uhr durch das turbinenlaute Abspielen von „Anton aus Tirol“ und der deutschen Nationalhymne. „Ich habe den Glauben an Europa verloren“, stöhnt Suppa und kritisiert, so wie ich äßen „bloß Boys Bohnen“. In der „Wiege des Wetters“ (Kai Ebel) siegt „der Meister“ (wir). ER versteht es, die Konkurrenz deftig „abzubraten“ (Express). „Nie war einer so wie Schumi“ (La Gazzetta dello Sport), und nie crashte einer wie Luciano Burti, der Eddie Irvine bei zirka 320 km/h touchierte und die Reifenstapel der Blanchimont-Kurve brutalstmöglich auf ihre Weltmeisterschaftstauglichkeit checkte. Bestanden!

5. Montag: Rückreise. Kaffeehalt an der Tankstelle. Spa-Abiturient Suppa (Note: 1,7) malt ein Pappschild: „Wir kommen vom Autorennen. Halten Sie sich die Nase zu, und sagen Sie bitte nichts!“ – „Wir? Die Miefmeister, nicht?“, krächzt er glücklich und stellt seine Stimmbänder ab. Tags drauf spuckt mein Internet aus, Burti „drohe“ vom Lütticher Krankenbett Irvine „Prügel an“. Helden-, ja meisterhaft.

JÜRGEN ROTH

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