: Lobe den Herren
■ Heiliger Bimbam! Wochenlang stand die Turmuhr von St. Martini still/ Jetzt sollte das letzte Stündlein für den Uhrteufel schlagen: Monteur Michael Giekmann packte an
Heiliger Bimbam – schon wieder viel zu spät, mag sich Wirtschaftsenator Josef Hattig in den letzten Wochen auf dem Weg zur Arbeit geärgert haben. Viele tazler dachten derweil: Oh Gott – viel zu früh! Jetzt geht rund um die Schlachte alles wieder die guten Wege des Herrn: Gestern schlug das letzte Stündlein für den Uhrteufel in der St. Martini-Kirche. Das Zifferblatt steht nicht mehr Tag und Nacht auf acht Uhr.
„Man kann nicht immer sofort da sein, wenn jemand anruft“, entschuldigt sich Michael Giekmann, einer der wenigen Turmuhrmonteure in Deutschland. Giekmann ist viel unterwegs, unterwegs auf Uhren-Montage in ganz Norddeutschland. Gerade kommt er aus Flensburg: „Am schwersten ist die Weltzeituhr im Dom zu Münster zu reparieren.“ Letztes Jahr fuhr er mit einem Kran zu den Zifferblättern im 98 Meter hohen Bremer Dom. Giekmann: „Da musste schon schwindelfrei sein!“
Geschlagene drei Stunden reparierte der Turmuhrmonteur gestern das Uhrwerk in St. Martini: Hier stand schon öfter alles still, der Uhrschlag kam zudem häufig unregelmäßig: Vollschläge zur halben Stunde und umgekehrt. „Jetzt habe ich die Hammerzugwinkel neu jus-tiert“, erklärt Giekmann. „Die Gewichte waren auch falsch eingestellt.“ Eine Schwarzwald-Uhr hat meist zwei kleine Eisen-Tannenzapfen, im Turm von St. Martini treiben rund 80 Kilo schwere schwarze Tonnen die Zahnräder des rund 50 Jahre alten Uhrwerks an.
Jetzt kanns wieder bimmeln: die sieben Läuteglocken funktionieren. Ein Schaltkontakt im Uhrwerk setzt vier mal am Tag das Glockenspiel mit „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“ in Gang – das ist der weltberühmte Choral, den Joachim Neander, von 1679 bis 1680 Prediger in St. Martini, komponiert hat.
Trotz Giekmanns Feinstarbeit wird der Küster noch ab und zu nachstellen müssen, da die Physik auch in Pastor Motschmanns Allerheiligstem regiert: Je nach Temparatur schrumpfen oder weiten sich die Seilchen und Rädchen im Uhrwerk. Im Winter ist die Uhr deshalb langsamer, im Sommer schneller.
Kleiner Nachtrag: Michael Giekmann wird doch ganz schnell wieder nach Bremen kommen müssen. Gestern um Punkt fünf vor fünf gab die Uhr von St. Martini erneut ihren Geist auf.
Kai Schöneberg Foto: Alexander Steffens
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