: Happy End im Badehaus
■ „Das Frauenbad von 1496“ - Ausstellung um die wiedergefundene Zeichnung von Albrecht Dürer in der Kunsthalle eröffnet
s ist kaum größer als ein DIN A3 Blatt. Seine Perspektive schwankt bedenklich. Und sein Sujet würde heutigen Bade-Schönheiten - oder was die an kalifornischen Silikon-Nixen geeichte Welt dafür hält - wohl kaum mehr als ein Grinsen entlocken: ein paar nackte Damen, allesamt ziemlich gut im Futter, die sich im Badehause mit wohligen Verrenkungen ihren Waschungen hingeben.
Dennoch hält das „Frauenbad“,das Albrecht Dürer 25jährig im Jahre 1496 zeichnete, noch ein halbes Jahrtausend nach seiner Entstehung die Welt in Atem. So ist die Eröffnung der gleichnamigen Ausstellung gestern Abend in der Bremer Kunsthalle nur der triumphale Schlussakkord unter eine Geschichte, die jede Menge Presserummel erregte und nach der sich jeder Drehbuchautor die Finger lecken würde. Hauptakteure: 12 Zeichnungen, die seit Kriegsende als verschollen galten. Dazu Schauplätze von Aserbaidschan über New York bis Tokyo, jede Menge sinistre Komparsen und mittendrin als Lara Croft des internationalen Beutekunst-Marktes: Anne Röver-Kann, Kunsthistorikerin und Kustodin der Bremer Kunsthalle.
Doch so abenteuerlich die Odyssee der 12 Zeichnungen - eines davon das“Frauenbad“ - und die Verhandlungen der Bremer Kustodin auf dem internationalen Kunst-Schwarzmarkt - die taz berichtete - auch waren, die eigentliche Bedeutung der gestern eröffneten Ausstellung liegt in ihrer kunsthistorischen Konzeption. Ausgehend vom „Frauenbad“ als einem kunsthistorischen Schlüsselwerk - Dürer war der erste, der außerhalb eines religiösen Kontextes den nackten menschlichen, Körper darstellte - thematisiert die Ausstellung die Aktdarstellung bei Dürer und seinen Zeitgenossen. Denn Dürer habe, so Anne Röver-Kann, mit seinem kühnen Jugendwerk eine „Lawine losgebrochen, in deren Folge die Kunstszene mit Aktdarstellungen“ überschwemmt wurde.
100 dieser erotischen Meisterwerke der Renaissance sind im Kupferkabinett der Kunsthalle zu sehen - und beleuchten dabei neben der erotischen noch eine weiteren, bis heute weitesgehend unbekannten Bereich der deutschen Kulturgeschichte: das bis ins frühe 16. Jahrhundert beliebte, oft aber auch recht lockere und Seuchen verbreitende Badewesen des Bürgertums.
Ein Frage allerdings lässt sich dabei trotz aller Sorgfalt der Kustodin nicht lösen: Woher nahm Dürer sein Motiv? War er selbst im Badehaus? Das kann mit großer Wahrscheinlichkeit verneint werden, den ob nun Künstler oder nicht - im 15. Jahrhundert waren badenende Männlein und Weiblein strikt getrennt. Und auch der in Kennerkreisen heiß diskutierte „Blick durchs Schlüsselloch“, der Dürer zu seiner epochalen Zeichnung bewegt haben soll, ist mehr Phantasie als Wahrheit: Anno 1496 behalf man sich zum Türeschließen entweder mit einem profanen Riegel oder einem Schaftschloss - und beides ließ „peeping toms“ keine Chance.
Anne Röver-Kann vermutet, dass zumindest eines der Waschfräulein des Bades Dürer Modell gestanden habe für sein „Skandal-oevre“. Und der Rest? Ist silence ... oder vielmehr Geschichte.
Geschichte sind inzwischen glücklicherweise auch die Querelen um die 200.000 Mark zur Finanzierung der Ausstellung, die allerdings Kunsthallen-Dirketor LuWulf Herzogenrath noch immer schwer im Magen liegen.„Das darf eigentlich nicht so sein, dass diese Arbeit zwischen den populären großen Ausstellungen zum Kleinkrieg um die Finanzierung wird. Zu unserem Renommeé als wissenschaftliches Institut gehört auch eine solche, kunsthistorisch eminent wichtige Ausstellung - auch wenn sie vielleicht nur 10.000 statt 300.000 Besucher anziehen wird. Es ist eine Ausstellung, die sich nicht „rechnen kann, soll, darf“.
Wieder einmal die alte Gleichung also: Gute „ernste“ Kunst ist gleich teure Kunst, die nichts tut als das Staatssäckle zu belasten? Und was populär ist und Geld einbringt, kann nicht seriös sein? Bleibt zu hoffen, dass das „Frauenbad“ diesen Grundsatz zumindest ein wenig ins Wanken bringen kann.
Denn auch ohne „Blauen Reiter“ und „Caspar David Friedrich-Sonnenuntergänge“, hat das „Frauenbad von 1496“ Einiges zu bieten: Das Wiedersehen mit einer wunderbaren Zeichnung, die nach 58 Jahren in die Bremer Kunstzahlle zurückgekehrt ist - und die Begegnung mit einem Teil der deutschen Kulturgeschichte, die auch in Bremen bis heute ihre Spuren hinterlassen hat: Allein im Schnoor finden sich zwei ehemalige Badehäuser. Eva Pantleon
Bis zum 4. November. Öffnungszeiten: Dienstags 10 bis 21 Uhr, Mittwochs bis Sonntags von 10 bis17 Uhr. Zur Ausstellung - die zu einem Fünftel aus Leihgaben aus dem Louvre, dem Amsterdamer Reichsmuseum und etliche anderen bedeutenden Sammlungen besteht - ist ein umfassender Katalog erschienen. Er kostet 48 Mark.
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