„Verdienen Sie am Terror?“

Die Bull-Analyse: taz-Geschäftsführer Andreas Bull über erhöhte Zeitungsauflagen in Krisenzeiten, das Informationsbedürfnis der LeserInnen und den Vorwurf, ein Kriegsgewinnler zu sein

Interview TAZ

Herr Bull, hat die taz in den Tagen nach den Anschlägen auf New York und Washington mehr Ausgaben verkauft?

Andreas Bull: Ja. Wir wissen aus Telefonaten mit Händlern und Grossisten, dass die taz am Mittwoch und Donnerstag an vielen Orten schon am Vormittag ausverkauft war.

Haben Sie Zahlen?

Unsere Vertriebsabteilung konnte noch nicht alle Zahlen auswerten. Sie können sich vorstellen, dass die KollegInnen rotieren. Aber so viel lässt sich jetzt schon sagen: in Berlin haben wir Verkaufssteigerungen von mehr als zweihundert Prozent. Im Bahnhofsbuchhandel haben sich die Verkäufe in den letzten Tagen verdoppelt. Die Druckauflage wird drastisch erhöht, denn nach allem, was wir hören, ist die Nachfrage bundesweit allgemein sehr stark angestiegen.

Wie erklären Sie sich diese erhöhte Nachfrage?

In Krisenzeiten wie dieser wollen die Menschen nicht nur schnell über das Fernsehen und Radio informiert werden, sondern sie suchen auch Erklärungen, Hintergründe und ausführliche Analysen dessen, was passiert ist. Und die bekommen sie nur in der Zeitung.

Aber doch wohl nicht nur in der taz?

Nein, alle anderen Blätter haben auch wesentlich mehr verkauft. Aber die Erfahrung zeigt, dass die taz in stürmischen Zeiten vom Verkauf her verhältismäßig mehr zulegt als die anderen.

Warum ist das so?

Die taz ist für viele Zeitungsleser eine unverzichtbare Ergänzung, die die abweichende, andere Meinung in der Medeinlandschaft darstellt. Auf die will man offenbar gerade in Krisenzeiten nicht verzichten. Und es zeigt sich, dass viele Menschen, die die taz wichtig finden, sie aber nicht dauerhaft abonnieren wollen, jetzt verstärkt am Kiosk zugreifen. Das ist eine Legitimation für die Existenz der taz und ein Zeichen für das Potenzial, das in ihr steckt.

Bestellen nicht auch LeserInnen ihr Abonnement ab, wenn sie zum Beispiel die Texte von Wiglaf Droste zu den Anschlägen in den USA lesen?

Sicherlich kommt das vor. Wir veröffentlichen auch kontroverse Ansichten und zugespitzte Ansichten. Für einige der bekanntermaßen kritischen taz-Leser ist das ein Grund, ihr Abo – manchmal auch nur vorübergehend – zu kündigen. Überraschender ist jedoch, dass uns über das Internet seit Mittwoch eine Flut von Abobestellungen erreicht. Viele wollen gerade jetzt die taz täglich im Briefkasten haben.

Mit anderen Worten: Die taz verdient am Terror.

Wie alle Medien ist auch die taz daran interessiert, ihre Leserinnen und Leser zu informieren. Wenn in der Krise dieser Informationsbedarf steigt, dann ist das ein ganz normaler Vorgang. Hier arbeiten Journalistinnen und Journalisten – denen kann man nicht vorwerfen, dass sie ihre Arbeit tun.

Trotzdem klingelt bei Ihnen jetzt die Kasse. Sind Sie ein Kriegsgewinnler?

Nein. Von Gewinnen kann bei der taz keine Rede sein. Und wenn überhaupt: nur sehr kurzfristig. Wir kennen solche Ausnahmesituationen bereits, etwa vom Golfkrieg und vom Kosovokrieg. Zunächst schnellt die Auflage für einige Tage in die Höhe. Dieser Effekt erhöht jedoch nicht dauerhaft die Auflage der taz.

Wie sieht es denn mit der normalen Entwicklung der Abokurve aus?

Der Sommer ist vorbei. Wir haben unsere Sommer-Abo-Verleih-Aktion abgeschlossen.

Mit welchem Ergebnis?

Die Bilanz nach 12 bedrohlichen Sommerlochwochen: Die Kurve hat gerade nochmal die Kurve gekriegt. Dazu hat sicher auch beigetragen, dass viele taz-LeserInnen ihr Abo im Urlaub verliehen haben. 482 sind es immer noch. Das Ergebnis: Wir liegen heuer mit der Abokurve um 80 unter unserer vorsichtigen Sommerlochprognose.

Das klingt nicht gut.

Das ist nicht gut, aber immerhin besser als ganz schlecht. Doch der Saldo macht uns Sorgen.

Was bedeutet das?

Also: Gestartet waren wir am 2. Juli mit 1.077 Unterbrechungen und 48.378 Abos. Diese Woche haben wir noch 733 unterbrochene mehr, dafür aber mit 47.305 Abos 1.073 Stück weniger im Bestand. Macht einen Gesamtverlust von 340 Abos.

Warum?

Es gibt zu wenig Neubestellungen. Die Leserinnen und Leser müssen uns dringend helfen, die Erosion zu stoppen. Es ist natürlich weiterhin möglich, sein taz-Abo zu verleihen, wenn man vielleicht erst jetzt in den Urlaub oder zu Weinlese fährt. Und darüber hinaus hilft nur eins: ran ans Telefon und schnell ein Abo bestellen 0 30-25 90 25 90. Die Aboabteilung kümmert sich.