chinesische stimmen zu den Anschlägen in den USA:
Die englischsprachige Tageszeitung China Daily (Peking) meint, Terrorismus könne nur im Rahmen einer neuen Weltordnung bekämpft werden: Es gibt keine Entschuldigung für unmenschliche Angriffe auf unschuldige Zivilisten. Die Weltgemeinschaft muss die Täter zur Rechenschaft ziehen. Zugleich sollten die Alarmglocken läuten, da der Terrorismus eine ernsthafte Bedrohung für die gesamte zivilisierte Welt darstellt. Wie andere friedliebende Länder hat China stets alle Formen des Terrorismus verurteilt. Zugleich haben Frieden und Entwicklung für China stets als wichtigste Themen gegolten, ebenso wie die Lösung aller Konflikte durch Dialog und Verhandlungen statt durch Gewalt und terroristische Aktionen. Doch bedauernswerterweise hat sich diese Haltung nicht bei allen durchgesetzt. Menschengemachte Plagen wie Hegemoniestreben, Machtpolitik, Rassisimus, Grenzkonflikte und regionale Kriege suchen immer noch die Welt heim. Wachsende Einkommensunterschiede, soziale Ungerechtigkeiten und Revolten sowie ethnische und religiöse Konflikte haben sich als fruchtbarer Boden des Terrorismus erwiesen. Solange diese Probleme nicht zur Debatte stehen, wird die Welt keinen echten und anhaltenden Frieden finden. So müsste die internationale Gemeinschaft dem Terrorismus den Krieg erklären, indem sie eine neue Weltordnung errichtet, die Frieden und Wohlstand für alle garantiert.
Auf der Homepage der Parteizeitung Renmin Ribao (www.peopledaily.com.cn) kommentieren chinesische Experten die Ereignisse: Die Raketenabwehr ist gegen den Terrorismus nutzlos“, schreibt dort der Amerika-Kenner Pang Zhongying und fragt sich: „Kann die Tragödie dazu führen, dass Amerika seinen Irrweg erkennt?“ Seine Antwort: „Die einzige Supermacht der Welt ist sich selbst ihr größter Feind.“ Noch schärfer urteilt der Autor Wang Xiuhua über die Eigenverantwortung der USA für die Terroranschläge: „Nach dem Ende des Kalten Krieges verlor Amerika den größten Gegner und sucht seither wie Don Quichote Feinde in aller Welt. Dabei hat Washington seine außenpolitische Hegemonie weit getrieben: Es will ein Raketenabwehrsystem einrichten und droht mit dem Rücktritt vom ABM-Abkommen. Zudem will man sich nicht ans Kioto-Protokoll halten. So hat Amerika aus eigenem Antrieb sein Schurkenland-Image für andere verstärkt. In der internationalen Gemeinschaft hat sich Groll gegen Amerika angesammelt. In diesem Sinne kann man sagen, dass die Amerikaner, die am Dienstag ums Leben gekommen sind, nicht nur aufgrund eines Terrorattentats gestorben sind, sondern auch aufgrund der falschen Außenpolitik Washingtons.
Die Tageszeitung Guangzhou Daily berichtet von einer Umfrage des Chinesischen Instituts für soziologische Untersuchungen: 98 Prozent aller Chinesen haben Mitleid mit den Amerikanern und kommen ihnen gern zur Hilfe. Das Institut hat 1.450 Chinesen in fünf großen Städten befragt. Das Ergebnis ist genauso überraschend wie logisch. Zuvor hatten das US-Bombardement der chinesischen Botschaft in Belgrad und die Flugzeugkollision Schatten auf das Herz der Chinesen geworfen. Doch jetzt zeigt sich die chinesisch-amerikanische Freundschaft und die traditionelle Tugend der Chinesen, Frieden anzustreben. Nach der Umfrage meinen außerdem 57 Prozent der Befragten, dass Amerika jetzt klaren Kopf bewahren und keine blinden Racheaktionen verfolgen sollte. ZUSAMMEN-
STELLUNG: GEORG BLUME
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