: Ewig kriselnde Gattung
■ Das Opernprojekt „Theatertote“ auf Kampnagel
Totgesagte leben länger. Die Gattung Oper macht es vor. Der Hamburger Produzent Benjamin von Blomberg und der Bonner Regisseur Benedikt von Peter glauben sogar, dass Oper das Medium der Zukunft sein wird. Deshalb haben sie gemeinsam mit acht anderen kreativen Mittzwanzigern eine freie Operngruppe gegründet, um fern vom subventionierten Theatertrott Neues auszuprobieren. Mit ihrer ersten Produktion touren sie jetzt quer durch Deutschland. Das Stück heißt Theatertote, basiert auf einer Komödie von Gaetano Donizetti und wird jetzt auf Kampnagel präsentiert.
„Oper über Oper“ lautet das Motto zum Debüt. Donizettis grelle Farce Viva la Mamma oder: Le convenienze ed inconvenienze teatrali (Die Sitten und Unsitten des Theaters) von 1827 demaskiert in Ansätzen zwar schon den konventionellen Opernbetrieb. Trotzdem hat Regisseur von Peter die Opera buffa erstmal zerhackt, um nur das Brauchbare herauszudestillieren. Die Auszüge aus Donizettis Opera buffa mischen sich mit neu verfass-ten Dialogen und Musik von Leo Dick.
Im Sprechtheater ist es schon lange an der Tagesordnung, Dramen zu zerlegen und mit fremden Texten zu konfrontieren. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, besitzt die Partitur jedoch in den Opernhäusern nach wie vor den Nimbus des Unantastbaren. Benedikt von Peter versteht das nicht: „Es geht doch nicht um die Zertrümmerung von Stücken an sich, sondern darum, sie wieder spielbar zu machen.“ Das bedeutet für den 24-Jährigen vor allem, mit Blick auf seine eigene Generation eine Geschichte komprimierter und moderner zu erzählen. „Durchs Fernsehen und durch die Neuen Medien sind junge Leute wie wir es gewohnt, in Windeseile Zusammenhänge herzustellen und Inhalte aufzunehmen. Die traditionelle Opernästhetik ist viel zu langatmig.“
Trotzdem bekommen die Besucher der Theatertoten von den überwiegend jungen Sängern und dem RIAS-Jugendorchester unter der Leitung von Titus Engel eine richtige Handlung serviert. Abgesehen vom Chor taucht Donizettis Personal fast komplett wieder auf: Die eitle Primadonna ist dabei, der protzige Tenor und auch der verschrobene Impresario.
Anders als im Original tourt jene Operntruppe jedoch schon seit 25 Jahren erfolglos durch die Lande und ist entsprechend ausgebrannt. Natürlich ist das für Regisseur von Peter auch eine Metapher dafür, dass der traditionelle Theaterbetrieb in einer Sackgasse gelandet ist. So gibt's auch kein Happy End. Das Opernprojekt Theatertote versteht sich eben als Bestandsaufnahme derzeitiger Missstände, aber auch als Liebeserklärung an die ewig kriselnde Gattung.
Dagmar Penzlin
18., 19. September, 20 Uhr, Kampnagel
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