bladerunner: Das Ende der Wissenschaft
Geld macht glücklich
Das Kreuz der Wissenschaft ist die Aufklärung. Es genügt dem Forscher nicht, unter Kollegen zu fachsimpeln. Nein. Alle sollen wissen, was er über die Menschen herausgefunden hat. Also auch über dich und mich. Vor der Erkenntnis drücken gilt nicht. Also warte ich im Wissenschaftszentrum für Sozialforschung auf das Ergebnis meines Lebensstandard-Tests.
Wie alle anderen Besucher der Langen Nacht der Wissenschaften, die den Forschern geglaubt haben, dass die Gesellschaft ein Haus mit zehn Stockwerken sei, in dem unten die Alten, Armen und die ohne Freunde leben. Und ganz oben die politisch Interessierten, Wohlhabenden und Zufriedenen. Wer kann da noch kritisch nachfragen, wenn in diesem Moment der seriöse Wissenschaftler, mit Sicherheit eine Kapazität auf dem Gebiet der Sozialstruktur, zum Selbstversuch bittet? „Probieren Sie doch selbst mal aus, wo Sie stehen.“
Ich gehöre in den 4. Stock. Eigentlich hatte ich auf ein bisschen mehr gehofft. Aber in der Wissenschaft geht es um Aufklärung, nicht um Selbstbestätigung. „Sie haben nur Abitur? Keine Lehre? Das führt direkt in die Arbeitslosigkeit“ – muss ich mir sagen lassen. Und dass es besser wäre mit einer Partnerin, die auch ein eigenes Einkommen hat, zusammenzuziehen. Statt allein zu wohnen. Das vermehrt das Guthaben und teilt die Kosten.
Statt zu widersprechen, zeige ich Lernfähigkeit. Beim zweiten Durchgang platziere ich meine Kreuzchen überall dort, wo die Antworten nach Geld riechen und – siehe da – sofort kommt die wissenschaftliche Bestätigung: Sie gehören in den 9. Stock. Da ist man nicht nur wohlhabend, sondern auch in Parteien und Vereinen engagiert und hat viele Freunde. Behaupten die Statistiker. Aber die behaupten auch, dass Geld glücklich macht. ARMIN BEBER
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