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unterm strich

Da schau her, die Pariser sind doch Kunstbanausen! Jedenfalls wird der Komponist Helmut Lachenmann an Hamburg bessere Erinnerungen behalten als an die Seine-Metropole. An Alster und Elbe war seine Oper „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ vor vier Jahren der Renner der Saison; die Kritiker jubelten, die Hamburger standen Schlange. Und in Paris? Da wurde das avantgardistische Werk nun neu inszeniert und erlebte einen Reinfall. Tout Paris pfiff. Lachenmanns atonale Musik wurde als zu minimalistisch empfunden. „Ich habe mich total gelangweilt“, urteilten viele Opernbesucher nach der Veranstaltung, die in Paris mit viel Spannung erwartet wurde. Einige verschwanden schon während der Aufführung.

Auch sonst ist bei den Nachrichtenagenturen viel von ernster Musik die Rede. So wird der Dirigent Sir Simon Rattle heute seinen Vertrag als künstlerischer Leiter der Berliner Philharmoniker unterzeichnen. Der Vertrag des 1955 in Liverpool (der Stadt, nebenbei, aus der auch die Beatles kamen) geborenen Rattle wird eine Laufzeit von zehn Jahren haben. Außerdem haben, um die Hauptstadtfreuden voll zu machen, gestern der Dirigent Daniel Barenboim und der Intendant Peter Mussbach ihre Verträge bei der Berliner Staatsoper unterschrieben, sodass auch hier die neue Leitung unter Dach und Fach ist. Und zum Dritten – aber das betrifft auch die unernste Musik – können sich junge Musiker aller Stilrichtungen für den Nachwuchswettbewerb „Sounds for nature“ bewerben. „Der Wettbewerb soll vermitteln, dass Natur sinnlich schön ist und Naturschutz Spaß machen kann“, sagte Gila Altmann, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium. Mit Musik wollten die Veranstalter – das Bundesamt für Naturschutz und die Volkswagen Sound Foundation – das Bewusstsein für Natur schärfen, das in Vergessenheit zu geraten drohe. Wahrscheinlich, fügen wir mal an, kann man mit einer Harley tatsächlich auch viel bessere Sounds machen als mit einem Golf.

Na ja, und dann muss der britischen Bestsellerautorin Fay Weldon zufolge noch der Feminismus reformiert werden. Er schade inzwischen beiden Geschlechtern: „Von Frauen wird heute erwartet, dass sie sich verhalten wie Männer. Und Männer sollen immer weicher werden. Das ist ein gesellschaftlicher Druck, der die ursprüngliche, hormonell geprägte Natur der Menschen missachtet und sie unglücklich macht.“ So Weldon, die sich gerade auf Lesereise in Deutschland befindet. Auch der männliche Verfasser dieser Meldungen ist inzwischen ganz weich geworden.

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