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Kritisch hingeschaut

■ Falk Richters erste Oper: Henzes „We Come to the River“

Nach dem Krieg ist vor dem Krieg. Dabei haben gerade alle ihre Kriegsrequisiten in den Fluss geworfen: Soldaten ihre Waffen, Schreibtischtäter ihre Akten, Anhänger ihre Fahnen. Während die Opfer singend die Hoffnung auf eine bessere Zukunft beschwören, spielt eine Horde Kinder bereits wieder mit Maschinengewehren.

Ganz ungebrochen wollte Falk Richter das Finale von Hans Werner Henzes Antikriegsoper We Come to the River offenbar nicht stehen lassen. Denn Hoffnung ist gut, kritisches Hinschauen bleibt aber wichtig. Deshalb als szenischer Kontrapunkt der Verweis auf die nächste Generation von Kämpfern, auf die Wurzeln neuer Gewalt. Ansonsten vertraute der Regisseur bei seinem Debüt an der Staatsoper ganz auf die Kraft von Henzes hoch politischem Monumentalwerk aus der ersten Hälfte der 70er Jahre.

Mit Lust am Breitwandeffekt inszenierte Richter ebenso penibel wie plakativ an den Vorgaben der Partitur entlang. Damit hatte er ohnehin genug zu tun. Schließlich spielt We Come to the River auf drei Ebenen und ist mit Simultanszenen gespickt. Da bereiten Soldaten eine Parade vor, während auf dem Schlachtfeld eine junge Frau ihren toten Mann sucht und an einem anderen Ort ein Deserteur erschossen wird. Insgesamt taten der junge Regisseur und seine Ausstatter gut daran, allzu plumpe Anspielungen auf aktuelle Verhältnisse zu vermeiden. So etwas hätte leicht den Parabelcharakter von Henzes Oper der Grausamkeit übertünchen können.

Im Zentrum der Handlung steht ein namenloser General. Er lebt in einer Militärdiktatur, er funktioniert und tut, was sein Job von ihm verlangt: Siegesmeldungen diktieren, Hinrichtungen anordnen, Kriege vorbereiten. Doch dann erfährt er, dass er unheilbar krank ist. Früher oder später wird er erblinden. Und plötzlich erkennt der General die Grausamkeit des Systems, dem er gedient hat. Er fühlt jetzt mit den Opfern, lehnt sich auf und gerät deshalb selbst in die Hände der Machthaber.

David Pittman-Jennings gelingt ein eindringliches Porträt des Generals. Überhaupt besticht das riesige Sänger-Ensemble (53 Solisten in 112 Rollen) durch gute Stimmen und intensives Spiel. Beeindru-ckend auch, wie Generalmusikdirektor Ingo Metzmacher alle Fäden in der Hand hält und die drei Instrumental-Ensembles gleichzeitig leitet. Zur Hamburger Erstaufführung seines selten gespielten Stücks war Henze persönlich angereist. Gemeinsam mit allen Beteiligten konnte der 75-jährige Komponist am Schluss im Jubel baden. Die wenigen Buh-Rufer verstummten schnell. Dagmar Penzlin

noch heute + 28., 30.9., 2., + 12.10., 19.30 Uhr, Staatsoper

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