: Yogische Flieger gegen den Terror
Der Bundeswehroffizier Gunter Chassé a. D. glaubt, durch die Überwindung der Schwerkraft komme Harmonie in die Welt. Deshalb solle die Bundeswehr jetzt auch 10.000 Soldaten zum Schutz in deutschen Landen im Yogischen Fliegen ausbilden
von KIRSTEN KÜPPERS
In Zeiten allgemeiner Anspannung und kollektiven Wartens auf weitere weltpolitische Ereignisse ist es beruhigend, wenn Menschen Auswege aus der drohenden Katastrophe bieten: pazifistische Lösungen, preiswert, einfach, schnell. Die Alternative zum Krieg liegt in diesem Falle in einem leichten Abheben vom Boden, einem schönen Schwebezustand. Denn der Frieden allerorten kann mit dem so genannten „Yogischen Fliegen“ gesichert werden, einer Methode der „Transzendentalen Meditation“.
Das behauptet Gunter Chassé, Oberstleutnant der Bundeswehr im Ruhestand und Gründer des „Vedischen Friedenskorps e. V.“ Angesichts der Terroranschläge in den USA hatte er gestern zu einer Pressekonferenz in einem eleganten Hotel am Gendarmenmarkt geladen. Mit Hilfe der Medien will Chassé die Bundesregierung überzeugen, mit einem Stiftungsfonds in Höhe von „nur zwei Millionen Mark die größte Friedensgruppe aller Zeiten“ einzurichten. Gelehrte, die in der „jahrtausendealten Methode des Yogischen Fliegens“ ausgebildet seien, könnten die Ursachen von Krieg und Terrorismus „an den Wurzeln bekämpfen“. Davon ist der 70-jährige Herr im seriösen grauen Anzug überzeugt.
Wundersame Versprechungen wollen wissenschaftlich begründet werden. Das wissen auch Chassé und seine Leute. Zur Veranschaulichung der Methode präsentierten sie den Journalisten darum gestern ein Video. Komplizierte Pfeildiagramme kamen darin vor, die Bilder wurden von einer lispelnden Stimme kommentiert. Sie sprach von Magnetfeldern, Thermodynamik und Quadratwurzeln. Die Überwindung der Schwerkraft werde durch tiefe Meditation möglich, die „Harmonie im Weltbewusstsein“ übertrage sich durch positive Schwingungen. Studien hätten belegt, dass während drei Versammlungen von 7.000 Yogi-Fliegern im US-Staat Iowa in den 80er-Jahren „weltweit eine signifikante Abnahme internationaler Konflikte beobachtet wurde“, so das Video.
Daraus ergibt sich für Chassé Handlungsbedarf: Die Bundeswehr solle in der aktuellen brisanten Lage 10.000 Soldaten „zum sofortigen Schutz Deutschlands“ im Yogischen Fliegen ausbilden, forderte er gestern. In Indien lägen bereits 40.000 Anmeldungen für eine Aktion vor. Durch Meditation könne man dann kollektiv den Stress in allen Nervensystemen abbauen, glaubt der ehemalige Offizier, den Frieden in der Welt erhalten.
Beim gestrigen Termin spielte auch ein schwarzes Telefon eine nicht unwesentliche Rolle. Man sei über eine Konferenzschaltung mit 20 Städten in der gesamten Bundesrepublik verbunden, erklärte Chassé. Und wie einer seiner vedischen Mitarbeiter mit hübscher Regelmäßigkeit „Hallo Hamburg! . . . Hallo Lübeck! . . . Hallo Saarbrücken!“ in den Hörer rief, fühlte man sich an wunderbar große Momente des Grand Prix de la Chanson d’Eurovision erinnert.
Die Anhänger der Transzendentalen Meditation gelten allerdings seit Jahrzehnten als internationaler Esoterikkult. Die Sektenbeauftragte der Senatsverwaltung, Anne Rühle, rechnet die ursprünglich aus Indien kommende Meditationsbewegung gar zu den „konfliktträchtigen Anbietern am Lebenshilfemarkt“. In seinen Schriften offenbart der mittlerweile in den Niederlanden lebende Guru Maharishi Mahesh Yogi ein bedenkliches Streben nach Herrschaft und Kontrolle. „Die Universitäten sollten geschlossen werden“, heißt es da beispielsweise. Stattdessen könne die „Maharishi University of Management“ die Verwaltung der Staaten übernehmen. Für Personen mit „labiler psychischer Disposition“ könnten solche Aussagen „durchaus problematisch“ werden, meint Rühle. Der Vedische Friedenskorps um Gunter Chassé und deren politische Vertretung, die Naturgesetzpartei, seien aber lediglich ein „merkwürdiger Abzweig“ der esoterischen Lehre um die Transzendentale Meditation, so die Sektenbeauftragte.
Bereits 1999 haben die Yogischen Friedensflieger der Naturgesetzpartei ein 300-köpfiges Kontingent nach Kroatien geschickt. Die Meditierenden sollten durch entspannten Geist Frieden und Ruhe nach Jugoslawien bringen. Dass dies nicht gelang, lag an der zu geringen Teilnehmerzahl, hieß es später.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen