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Totgeschwiegen

Ich bin empört, wütend und enttäuscht !!! Und zwar von euch!!! Ich habe um eure Abos gezittert und immer gehofft, dass ihr als Blatt überlebt. Zwar haben mir eure Berichte nicht immer geschmeckt, aber ich dachte immer, dass im Namen der Pressefreiheit und kritischen Berichterstattung dies durchgehen müsse. Die ganzen letzten Monate habe ich eure Wahlkampfberichterstattung verfolgt, und habe nichts gesagt, obwohl ich sauer war. Und jetzt ist es einfach zu spät.

Ihr seid auf dem grünen Auge Blind, ignoriert grüne Veranstaltungen, Themen und auch kritische Meinungen und Positionen der GAL. Über Wochen und Monate hat es beispielsweise in Altona viele Veranstaltungen und Themenabende gegeben, in der grüne Politik diskutiert werden konnte. Über Wochen und Monate haben wir Einladungen an die Presse und Mitteilungen geschickt, in der Hoffnung dass unsere Positionen überhaupt Gehör finden. Aber ihr wart euch dazu ja scheinbar zu fein. Ihr habt die GAL so häufig ignoriert und totgeschwiegen oder verzerrt dargestellt. Hier denke ich nur an die Wochenendausgabe, dem Wahlwochenende und eure gnadenvolle Erwähnung der Abschlusskundgebung im Hamburger Lokalteil (auf Landesebene). Wenn das eure Art von Berichterstattung sein soll, was unterscheidet euch von einer dpa-Meldung. Dann gehe ich doch lieber gleich ins Internet und bekomme die Infos auch noch viel früher.

Jetzt bin ich mal gespannt, was ihr in den nächsten Jahren zu berichten habt: Schill als Innensenator mit law-and-order-Parolen, seine Partei als Hetzpartei gegen Einwanderung, Menschen aus anderen Herkunftsländern, gegen Asyl, eine vernünftige Drogen-, Sozial-, Bildungs- und Umweltpolitik etc.

Nicht ihr werdet leiden, aber die Betroffenen, für die sich grüne Politik stark gemacht hat. Die Opfer der neuen Regierungspolitik werden leiden. Menschen die verdächtig aussehen, werden noch viel stärker als in der Vergangenheit Opfer sein und abgeschoben werden. Und was macht ihr?

Statt auf die Gefahr hinzuweisen und die Menschen aufzurufen, alles mögliche zu tun, um diesen Rechtsrutsch zu verhindern, seid ihr ja reinen Gewissens. Schill haut nur auf die Symptome drauf und wird die Ursachen nicht bekämpfen. Aber die GAL ist eurer Meinung nach zu schwach und hat zu viele Kompromisse gemacht. Gegen den roten Filz zu sein ist euch also wichtiger als gegen den Rechtsblock. Ja und ihr macht euch die Position des Regenbogens zu eigen, die meinen, wir hätten das Potential mal eben so in vier Jahren Regierungszeit gezüchtet. Es gab auch schon vor der Abspaltung des Regenbogens von der GAL ein Potential an rechten WählerInnen in gleicher Höhe wie die Schill-Ergebnisse. Hatte Heike Sudmann damals denn keine Verantwortung für diesen rechten Rand nur weil sie nicht an der Regierung beteiligt war? Sagt mir bitte, was so schlecht an der vergangenen rot-grünen Politik war, dass eine rechtspopulistische Regierung heute scheinbar besser ist. Jetzt könnt ihr ja bald sehen, was es bedeutet, mit guter Gesinnung in eine schwarze Zukunft zu blicken. Aber ihr träumt von linker Daueropposition und Verantwortungslosigkeit.

Ihr seid euch nicht im klaren über die Positionen, die Grün in dieser Stadt gehalten hat und bei permanenten Gegenwind von allen Seiten kaum ausbauen konnte. Schaut euch ruhig an, was in der Bildungspolitik geschehen wird, wenn sich dort der Rechtsblock ausbreiten wird. Sicherlich ist bei den Grünen nicht immer alles perfekt gelaufen, aber ihr habt dafür gesorgt, dass entweder nur das Schlechte oder gar nichts in die Zeitung kommt. Dadurch mussten doch die WählerInnen denken, dass Grün versagt und nicht kompetent ist. Ihr seid doch diejenigen, die das Bild der Parteien verkauft.

Leider werdet ihr noch früh genug merken, was der Unterschied zwischen einer Rot-Grünen Regierung und einer Regierung aus dem Rechtsblock ist. Wie konntet ihr Rot-Grün nur permanent so kaputt schreiben, verzerren und dadurch die WählerInnen so verunsichern, dass dieses Projekt in Deutschland keine Zukunft mehr hat. Auf Bundesebene wird es wohl genauso weitergehen. Soll ich auch noch das Abo weiter halten, damit ihr Geld für eure subjektive Darstellung bekommt und so weitermachen könnt? Ich habe mich noch nicht entscheiden können, das Abo zu kündigen. Ich werde aber eure Berichte weiterhin sehr kritisch verfolgen. Und ich möchte, dass ihr wisst, dass ihr am seidenen Faden hängt. Sava Kuzmanovic

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