piwik no script img

Back to Bremen

■ Schauspieler Ben Becker macht viele Dinge – gerade tourt er mit seiner Band durchs Land und spricht über die Zwanziger Jahre, Bankräuber und Märklin-Eisenbahnen

Ben Becker tritt heute abend mit seiner Band „The Zero Tolerance“ im 'Modernes' auf. Geboren wurde der Tausendsassa und Lebemann in Bremen. Als Sohn des Schauspielers Rolf Becker wuchs er in einer Wohngemeinschaft im Ostertorsteinweg auf, bevor seine Mutter sich in Otto Sander verliebte und ihren Sohn mit nach Berlin nahm.

taz: Bereits im Oktober 1999 hast du in Göttingen dein zweites Album angekündigt. Warum kommt es erst jetzt?

Ben Becker: Tausend Gründe. Ich bin glücklich, dass es jetzt rauskommt. Wurde Zeit.

Musikalisch Stand der Dinge?

Ich fühle mich sehr wohl damit. Und es war gut, nach drei Jahren Arbeit den Deckel zuzumachen. Die zweite Album ist ja angeblich das schwerste. Sagt man.

Und das Dritte handelt vom endlosen Touren. Sagt man.

Das wird so passieren. Da sind wir jetzt schon alle ganz heiß darauf. Aber es wird hart, bei der ersten Tour sind wir ja abends immer noch picheln gegangen. Das wird diesmal nichts.

Härter als vier Stunden Theater bei „Berlin Alexanderplatz“?

Das habe ich ja nur zweimal wirklich hintereinander gespielt. Die Gefahr ist einfach größer, wenn man mit sieben Musikern und Backlinern unterwegs ist, dass man hinterher noch auf die Kacke haut. Da ist große Disziplin gefragt. Aber ich weiß, dass wir die haben.

Wie sieht die „Zero Tolerance“-Band diesmal aus?

Bläser, Bass, zwei Gitarren, Schlagzeug, Keyboard. Ist schon ein ganz schönes Brett, alles sehr hochqualifizierte Jungs. Wir haben das jetzt zum ersten Mal ausprobiert und über eine richtige Anlage geblasen. Da kommt schon gut Druck rüber.

Geht nach vorne?

Würde ich schon sagen. Macht Spaß. Wie eine gute Märklin-Eisenbahn.

Was machen die aktuellen Projekte? Kinski, die Rilke-Geschichte?

Rilke ist für mich abgehakt. Kinski kommt wieder. Die Show machen wir noch ein paar Mal .

Was fasziniert dich an Kinski?

Schon als kleiner Junge habe ich darauf gewartet, dass er bei Edgar Wallace mit dem Silbertablett um die Ecke kommt. Und wenn der Geyer Texte im Internet ersteigert hat und mich fragt: „Willst du die lesen?“, dann ist es spannend, sich das anzugucken. Handschriftliche Sachen sind dabei.

Wirst Du live lesen?

Ich habe das jetzt zweimal in Berlin gemacht, die Premiere und dann noch mal Open-Air hinter der Alten Nationalgalerie. Und im Herbst werde ich damit auch ein bisschen touren. Meine beiden Musiker und Alexander Hacke.

Der Familienklüngel ...

Man findet seine Leute, und Berlin ist dann irgendwie klein.

Das klingt alles sehr arbeitssüchtig.

Ja, auch neugierig. Neuland denken. Da bin ich Workaholic. Es kommen auch teilweise so faszinierende Sachen auf mich zu, die ich zu spannend finde, um sie abzusagen. Man muss halt Pausen langfris-tig planen.

Welchen Platz erkämpft sich da die Tochter?

Meine Tochter wird sich auf jeden Fall selbst einen Platz erkämpfen. Momentan muss ich leider sagen, dass sie zu kurz kommt. Ich bin zu wenig bei ihr. Da komme auch ich zu kurz. Das ist schmerzhaft. Ich bin ja vernarrt in sie. Aber wir freuen uns beide sehr, wenn wir uns sehen und Zeit haben. Mittlerweile merkt sie ja auch, wenn ich wieder gehe. Fängt an zu heulen, will nicht mehr weg. Das ist nicht einfach. Ich hatte mir gerade eine Woche eingeräumt, in der ich nur für sie da war. Dann musste ich wieder ein bisschen arbeiten. Wenn ich dann zwei Monate auf Tour bin, muss man sehen, wie oft sie dazu kommen kann. Das werde ich mit meiner Frau absprechen. Sie kommt ja auch zu kurz. Momentan wir alle drei.

Keine Lust, alles hinzuwerfen?

Das kommt schon manchmal. Nur bin ich zu diszipliniert dafür. Ich weiß ja, was danach kommt. Besonders wenn ich selber Sachen anleiere. Da hat man Verantwortung den Leuten gegenüber, mit denen man arbeitet. Ganz so einfach ist es nicht, zu sagen: Leckt mich alle am Arsch. Es sei denn, man geht zur Fremdenlegion. Das habe ich aber nicht vor.

Die „Trompete“ ist dein Abenteuer-Spielplatz, hast du mal gesagt. Erlebst du noch Abenteuer?

Momentan nicht, das habe ich abgegeben an meinen Partner. Ich werde auch wieder mit viel Spaß dabei sein. Aber gerade steht sie ganz hinten an.

Was geht sonst in Berlin? An Mitte nörgeln alle rum?

Wer nörgelt an Mitte rum, außer mir? Aber es stimmt. Und es gibt Leute, die Mitte heute weniger attraktiv finden als vor ein paar Jahren noch. Es hat sich geändert, ist sehr aufgeräumt, sehr geleckt. Ist zum Touristenzentrum geworden. Ich lebe ja nicht in Berlin, um mich mit den Touristen auseinanderzusetzen. Ansonsten bleibt Berlin eine Stadt im Umbruch. Da muss man gucken, was einen interessiert. Das Berlin der Telekom interessiert mich weniger. Ich orientiere mich gerade Richtung Kreuzberg. Manchmal ist man auch am Prenzelberg, mal in Charlottenburg.

Nach „Gloomy Sunday“ meintest du aus vollem Herzen, dass du keine Nazi-Uniform mehr anziehst. Der neue Film „Sass“ berührt aber wieder die Nazi-Zeit.

Aber nur am Rande, und eine Nazi-Uniform habe ich nun beileibe nicht an. Es ist ein spannendes Thema, doch jetzt reicht es auch mal mit den zwanziger und dreißiger Jahren. „Gloomy Sunday“, „Comedian Harmonists“, Franz Biberkopf auf der Bühne, „Sass“, vorher Rosa von Praunheims „Der Einstein des Sex“. Jetzt könnte ein bisschen Mittelalter oder Science Fiction kommen.

Werden die zwanziger Jahre nicht romantisch verklärt?

Ja. So romantisch war es nicht. Den Leuten ging es ganz schön dreckig zu der Zeit. Die Armut war am Fortschreiten. Fragen tauchten auf, wie es weiter gehen soll. Von daher gibt es Parallelen zur Jetztzeit: Untergang und Auflösung.

Warum der „Sass“-Film?

Weil es einfach spannend ist, die Sass-Brüder mal zu beleuchten. Es ist ein großer, kommerzieller Film, den anzuschauen Spaß macht. Spannend, komisch, klasse gemacht. Es hat sich gelohnt, da mitzuspielen. Der Vater von Carlos, dem Regisseur des Films, war Banjo-Spieler im „Scala“, und der hat erzählt: Wenn die Sass-Brüder in den Laden kam, wurde ein Tusch gespielt, dann sind alle aufgestanden. Es ist wahr, dass man ihnen nichts nachweisen konnte, dass sie gefeiert wurden, dass sie große Autos gefahren haben. Das wäre heute nicht mehr denkbar, aber es war so. Sie waren die Einbrecher-Könige, so eine Art Robin Hood für die Stadt. Helden.

Waren die denn erfolgreich?

Ja, sie haben ja auch die Bank am Wittenbergplatz ausgenommen. Sie haben den ganzen Tauentzien unterbuddelt und sind von unten rein. Die Straßenbahn ist ein Stück abgesackt, später, als der Tunnel nicht mehr gehalten hat. Das war einer der größten Coups, die es je gegeben hat. Aber man konnte ihnen nichts nachweisen.

Die Nazigelder wurden auch geraubt?

Ja, die Wahlkampfspenden der NSDAP. Kein schlechter Schachzug eigentlich. Hat aber auch nicht viel gebracht. Außer, dass es den Sass eine schöne Zeit bereitet hat.

Fragen: Volker Peschel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen