piwik no script img

Zwischen allen Stühlen

Verspätet haben sich die französischen Grünen auf Erklärung zum 11. September geeinigt. Und ihr Spitzenkandidat Alain Lipietz stolpert über seine Meinung

PARIS taz ■ „Mörderische Attacken“ und „terroristische Verbrechen“ nennen die französischen Grünen das, was am 11. September in New York und Washington passiert ist. Das Stichwort vom „Krieg gegen die USA“, das im benachbarten Deutschland selbst in grünen Kreisen schnell die Runde gemacht hat, vermeiden sie sorgfältig.

Die Erklärung für die „nie dagewesene“ Intensität der Gewalt suchen sie in den „Spannungen und der wirtschaftlichen, sozialen, diplomatischen und militärischen Unordnung, die in unserer Welt herrschen“. So steht es in einer Erklärung des nationalen Exekutivkomitees von „les Verts“. In dem hölzern formulierten Text ist auch nachzulesen, dass die „internationale Gemeinschaft“ die Sache „nicht straflos“ geschehen lassen dürfe. Dass es sich um „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ handele.

Das Führungsorgan der Regierungspartei hat eine geschlagene Woche gebraucht, um dieses Kommuniqué zustande zu bringen. Zuvor hatte sich lediglich Parteichefin Dominique Voynet mit einer ebenso knappen wie klaren Verurteilung der Attentate zu Wort gemeldet. Das war am 11. September.

Kritische Bemerkungen zur Außenpolitik der USA und zu der langjährigen US-Unterstützung für islamistische Fundamentalistengruppen, wie sie zu dem Zeitpunkt in Frankreich bereits von zahlreichen anderen linken Organisationen vorgetragen wurden, sucht man in der Erklärung von „les Verts“ vergebens. „Peinlich zwischen den Strömungen der Ökopartei ausgehandelt“, schreibt das grünennahe Wochenblatt Politis.

Heute wollen die französischen Grünen einen „Aufruf an die Öffentlichkeit“ vorlegen. Dieses Mal zusammen mit zahlreichen anderen französischen linken Parteien, Gruppen und Gewerkschaften. Darin wollen sie gegen die Kriegsgefahr und gegen die „Destabilisierung in ohnehin fragilen Regionen der Welt“ mobilisieren. Morgen veranstalten alle gemeinsam eine Demonstration in Paris. Die ursprünglich zur Verteidigung der Rechte der Frauen in Afghanistan geplante Veranstaltung wird die erste französische Friedensdemonstration seit dem 11. September werden.

Dass „die Nato“ der falsche Rahmen für eine Antwort auf die Anschläge wäre, ist Konsens bei „les Verts“. Zu einer internationalen Polizeioperation gegen den Terrorismus sagt Francine Bavay, nationale Sprecherin der Partei, hingegen: „Pourquoi pas.“

Parteiintern wird die neue Situation voraussichtlich den grünen Präsidentschaftskandidaten Alain Lipietz den Kopf kosten. Der parteiintern umstrittene linke Traditionsgrüne hat Anfang dieser Woche in einem Kommentar unter anderem geschrieben: „Ja, für ein paar Tage war ich ein New Yorker.“ „Zu lyrisch“, urteilten Mitglieder der Parteiführung, Lipietz’ Kampagnenführer trat zurück. Und der grüne Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit redet bereits in der Vergangenheitsform von dem Mann, den die Parteibasis erst vor wenigen Wochen demokratisch gewählt hat: „Er war nicht der richtige Kandidat.“

DOROTHEA HAHN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen