: „An der gemeinsamen Zukunft arbeiten“
Der Sprecher und Mitbegründer der UÇK, Ali Ahmeti, über die Selbstauflösung seiner Organisation, die Zukunft des Staates Mazedonien und die Anschuldigungen, mit dem islamistischen Extremisten Bin Laden in Verbindung zu stehen
taz: Sie haben am letzten Donnerstag die von Ihnen gegründete UÇK aufgelöst. Doch das Parlament hat die versprochenen Verfassungsänderungen noch nicht verabschiedet und bislang keine Amnestie verkündet. War das also ein voreiliger Schritt?
Ali Ahmeti: Ich hoffe, dass die slawisch-mazedonische Seite bald ihren Verpflichtungen nachkommt. Wir vertrauen auf eine gemeinsame Zukunft in Mazedonien. Wir haben als UÇK unsere Aufgabe erfüllt und sind unserem Ziel, die Gleichberechtigung der Albaner in Mazedonien zu erreichen, näher gekommen.
Wir haben mit der Nato, der EU und den USA ein Dokument über den Friedensprozess unterschrieben und uns an alle Vereinbarungen gehalten. Dazu gehörte, unsere Waffen abzugeben und unsere Organisation aufzulösen. Wir hoffen jetzt darauf, dass die Gegenseite ihrerseits handelt.
Und wenn nicht? Haben Sie für diesen Fall Garantien erhalten?
Wir haben mit der Nato vereinbart, dass mit der neuen Mission, die aus OSZE-Beobachtern und den neuen Nato-Truppen besteht, für die Sicherheit unserer Soldaten und für alle Zivilisten, gleich welcher Herkunft, gesorgt wird. Wir haben volles Vertrauen in die internationalen Institutionen.
Wir begrüßen, dass die neuen Nato-Truppen von Deutschland geführt werden, und sehen im Wechsel des Kommandos von den Briten zu den Deutschen keinen Autoritätsverlust. Da in Deutschland eine halbe Million Albaner leben, kennen wir die Mentalität der Deutschen sehr gut und glauben an den Erfolg der Mission. Es ist jedoch kein Geheimnis, dass wir uns mehr als die jetzt ausgehandelten 1.000 Nato-Soldaten für die Task Force Fox gewünscht hätten. Aber das zu entscheiden ist Sache der Nato.
Es ist Ihnen gelungen, von der internationalen Gemeinschaft als gleich berechtigter Partner behandelt zu werden. Noch im Februar und März haben sogar US-Diplomaten die Regierung aufgefordert, gegen die Terroristen der UÇK, wie es damals hieß, hart durchzugreifen. Wie haben Sie denn das geschafft?
Anfänglich hat man unseren Standpunkt noch nicht verstanden. Wir haben aber beharrlich unsere Position verfolgt und gezeigt, dass wir zu einer politischen Lösung bereit sind. Deshalb haben wir auch im März unsere Truppen aus der Bergregion um Tetovo zurückgezogen, um der Regierung die Gelegenheit zu einer politischen Lösung zu geben. Diese wurde damals leider nicht ergriffen, stattdessen wurde der Armee freie Hand gegeben. Deshalb mussten wir den Kampf wieder aufnehmen und unsere Positionen um Tetovo zurückgewinnen. Aber wir waren von Anfang davon überzeugt, dass die internationale Gemeinschaft über kurz oder lang unsere politische Plattform, nämlich die Verbesserung der Lage der albanischen Bevölkerung in Mazedonien zu erreichen, verstehen wird. Und das ist auch geschehen. Im Grundsatz haben wir von Beginn an positiv gedacht. Wir sind bereit, an einer gemeinsamen Zukunft zu arbeiten. Das werden auch die slawischen Mazedonier begreifen.
Im Augenblick sieht es nicht danach aus. Sie sind in Skopje nach wie vor die meist gehasste Person. Und seit dem 11. September behaupten die mazedonischen Medien, die Terroristen Bin Laden und Ali Ahmeti bildeten eine Front.
Wir sind Propagandafeldzüge gewöhnt, das ist nur eine neue Variante. Ich erkläre hier klipp und klar, wir haben nichts mit Bin Laden zu tun. Unsere politische Idee ist, den Status der Albaner in Mazedonien zu verbessern, und nichts anderes.
Es werden aber auch von westlichen Geheimdiensten Informationen gestreut, wonach bis zu 250 Mudschaheddin bei der UÇK gekämpft hätten, dass Geld geflossen und dass Bin Laden Anfang dieses Jahres persönlich in Albanien und im Kosovo gewesen sei.
Wir haben niemals solche Personen in unseren Reihen gehabt. Finanziert wurden wir über allein durch die Albaner. Exilalbaner aus aller Welt haben wie die Albaner hier in der Region Geld gesammelt, haben uns in vielfältiger Weise unterstützt, haben uns mit Nahrung und was wir für den Kampf brauchten, ausgerüstet.
Der Versuch, unseren Kampf zu einem Religionskampf umzudichten, muss aber scheitern. Denn die Albaner sind, was Religionen betrifft, ein tolerantes Volk. Es gibt unter den Albanern nicht nur Muslime, sondern auch Katholiken und orthodoxe Christen. Ich erinnere nur an Mutter Teresa, die aus Mazedonien stammt und lange Zeit in Prizren wirkte. Wir werden beweisen, dass alle Anschuldigungen, uns in Verbindung mit Bin Laden zu bringen, unwahr sind.
INTERVIEW: ERICH RATHFELDER
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