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Wirtschaft hält den Atem an

Die Börsen verbuchen moderate Verluste. Öl und Gold werden teurer, der Dollar verliert an Wert. Ob die Tendenz zur Rezession zunimmt, hängt von der Dauer militärischer und politischer Unsicherheit ab

von HANNES KOCH

Manchmal ist Ökonomie sehr nachvollziehbar. Gestern war so ein Tag. Die Angriffe der USA auf Afghanistan lösten in der Wirtschaft die Reaktionen aus, die Lehrbücher beschreiben. Ein Krieg bringt zunächst ökonomische Unsicherheit mit sich – also verloren die meisten Aktien an Wert. Die großen Börsen in Asien schlossen mit klaren Verlusten: Der Hang-Seng-Index von Hongkong büßte drei Prozent ein. Auch die Werte in Südkorea, Malaysia und Singapur gaben deutlich nach.

Bis Redaktionsschluss ging auch der Trend an der Frankfruter Börse nach unten. Mit wenigen Ausnahmen verloren alle Aktien, nur wenige wurden von den Anlegern verstärkt gekauft. Die Londoner Börse verzeichnete leichte Verluste von rund einem Prozent. Der Wert von US-Rüstungs-Aktien wie Lockheed und Raytheon dagegen stieg.

Parallel dazu wurde der Dollar schwächer – Investoren schichteten ihre Geldbestände in Richtung Schweizer Franken und Euro um. Diese Währungen gelten nun einstweilen als sicherer als der Dollar, weil die USA ein kriegführendes Land sind, Europa mit Ausnahme Großbritanniens aber noch nicht mit eigenen Truppen an den Angriffen teilnimmt.

Der Ölpreis stieg zunächst leicht um zwei Prozent an. Das hängt mit der Erwartung zusammen, dass die kriegerischen Auseinandersetzungen in Mittleren Osten die Ölversorgung der westlichen Welt erschweren könnten. Ein Barrel Öl (159 Liter) kostete am Londoner Markt gestern Mittag rund 22 Dollar. Auch Gold wurde etwas teurer. Im Krisenfall erfreut sich das Edelmetall traditionell zunehmender Beliebheit, weil es dann als vergleichsweise solide Geldanlage betrachtet wird.

Die Reaktionen der Weltwirtschaft fielen allerdings relativ moderat aus. Seit den Attacken auf World Trade Center und US-Kriegsministerium vom 11. September war der Gegenangriff der USA erwartet worden. Entscheidend wird nun sein, wie sich der Krieg in naher Zukunft entwickelt. Können die USA schnelle Erfolge verbuchen, ist mit mehr Aufträgen, steigenden Kursen und Optimismus zu rechnen. Ein Vorrücken der die afghanischen Taliban-Regierung bekämpfende Nordallianz, der Sturz des Taliban-Regimes oder gar der Tod des mutmaßlichen Urhebers der Anschläge vom 11. September, Ussama Bin Ladens, dürften in diese Richtung weisen.

Schlecht für die Wirtschaft wäre es dagegen, wenn Investoren und Aktienhändler eine längere Phase militärischer und politischer Unsicherheit voraussähen. Das könnte passieren, wenn die afghanische Regierung sich relativ unbeeindruckt von den US-Angriffen zeigte, oder islamische Staaten sich anschickten, die weltweite Anti-Terror-Koalition zu verlassen. Die gestern befragten Ökonomen und Börsenanalysten äußerten sich mal in diese, mal jene Richtung.

Ebenso hängt es von den militärischen und politischen Ereignissen ab, ob die Weltwirtschaft in eine Rezession abgleitet. In Japan und den USA schrumpfen die Ökonomien bereits, in Europa lässt das Wachstum erheblich nach. Zum ersten Mal seit den 30er Jahren des 20. Jahrhundert befinden sich diese drei großen Wirtschaftsblöcke zur gleichen Zeit im Abschwung. Eine längere Phase der Unsicherheit könnte die wirtschaftlichen Probleme verstärken.

Optimisten weisen dagegen daraufhin, dass die letzte Wirtschaftskrise in den USA mit dem Beginn des Golfkrieges im Januar 1991 allmählich zu Ende ging. Das Vertrauen von Konsumenten und Investoren nahm zu, die US-Regierung tat mit Rüstungsaufträgen ein Übriges.

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