: Wie viel Decke macht sicher?
Anhörung zum Zwischenlager Gundremmingen: Während in Norddeutschland Wandstärken von 1,20 Metern gefordert sind, sollen in Süddeutschland 55 bis 85 Zentimeter dieselbe Sicherheit garantieren. BfS fordert Mehrbarrierensystem
aus Günzburg KLAUS WITTMANN
In der Stadthalle findet derzeit unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen die Anhörung für das geplante Zwischenlager am Atomkraftwerk Gundremmingen statt. Und gerade so, als habe es die Terroranschläge in den USA nicht gegeben, soll die neueAtomanlage nach alten Sicherheitsstandards gebaut werden – nur mit erheblich dünneren Wänden als vergleichbare Anlagen in Norddeutschland.
„Es gibt zweierlei Sicherheitsmaßstäbe – einen norddeutschen und einen süddeutschen“, kritisiert Professor Hubert Weiger, Landesbeauftragter des Bund Naturschutz (BN). „Wahrscheinlich sollen Kosten gespart werden.“ Dass in norddeutschen Zwischenlagern Wandstärken von 1,20 bis 1,30 Metern vorgesehen sind, in den fünf süddeutschen aber nur 55 bis 85 Zentimeter, hält Bayerns Grünen-Chef Jerzy Montag für unverantwortlich: „Zwischenlager, die gegen Flugzeugabstürze nicht gesichert sind, sind nicht genehmigungsfähig“.
Auch in der Stadthalle von Günzburg wird die Hallendecke moniert. Gleich mehrere Einwender bemängeln, dass 55 Zentimetern Deckenstärke weitaus weniger Stahlarmierung als eine 1,20 Meter-Decke enthält. Volker Schäfer vom Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) meinte schon am ersten Erörterungstag: „Der 11. September macht deutlich, dass es eben schwer zu vermitteln ist, warum in Süddeutschland dünnere Wände den sicheren Einschluß gewährleisten sollen. Deshalb sind die Antragsteller jetzt gefragt, ein Konzept vorzulegen, das den Sicherheitsbedürfnissen nachkommt.“ Damit liegt der BfS-Sprecher ganz auf der Linie seines Präsidenten, der wiederholt ein sogenanntes Mehrbarrierensystem für Zwischenlager gefordert hat. Das heißt, nicht alleine die in den Lagern abgestellten Castorbehälter müssen die erforderliche Sicherheit gewährleisten, sondern auch die Lager selbst.
Der Gundremminger Werksdirektor Gerd von Weihe will freilich kein geändertes Sicherheitskonzept vorlegen und hält die eingereichten Unterlagen für ausreichend. „Der Schutz gegen Einwirkungen von außen liegt nicht in der Halle, sondern in den Behältern. Wir sind der Meinung, dass der zur Realisierung anstehende Castor V diese Anforderungen erfüllt.“
Schon jetzt zeichnet sich allerdings ab, dass beim vorgelegten Sicherheitskonzept die Genehmigung kaum erteilt werden dürfte, was zu erheblichen Verzögerungen beimZwischenlagerbau führen wird. Das wiederum könnte bei einigen Atommeilern akut die Entsorgungssicherheit gefährden. Daher glaubt Grünen-Chef Jerzy Montag an Nachbesserungen. „Die Betreiber der Atomkraftwerke müssen ein eigenes, aktives Interesse daran haben, möglichst schnell Zwischenlager zu bekommen, die absolut sicher sind im Rahmen des Menschenmöglichen. Wenn sie das nicht schaffen, gefährden sie den Weiterbetrieb ihrer Atomkraftwerke.“ Nach Inkrafttreten des Ausstiegsgesetzes nämlich werde es keine Transporte nach Ahaus oder Gorleben mehr geben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen