: Blubbernde Buchstaben und Acryl-Comicfiguren
■ Bewegungen im Bild festgefroren: Der Hamburger Rupprecht Matthies muntert in der Kunsthalle auf
In diesen Tagen gibt es viel verbales und visuelles Geblubber, die Kunsthalle aber zeigt stattdessen künstlerische „blups“: Das ist gemäß dem Hamburger Rupprecht Matthies eine Form, die eine Bewegung beschreibt, aber im Bild festgefroren ist. Es ist ein Zeichen für eine mögliche Veränderung – die aber nicht in einem einzelnen, notwendig unterdeterminierten Bild stattfindet, sondern in der Weiterentwicklung des Werkes. Kurator Cristoph Heinrich nennt diese Bilder „eine Art Urpudding“. Tatsächlich entwickelten sich aus diesen fast biologisch die nächsten Arbeiten.
Inzwischen überziehen leuchtend bunte blubbernde Formen, intarsienhaft passgenau ineinander gefügt und zu größeren Feldern kombiniert wie parasitärer Befall, ganze Museumswände. In der Reihe „Standpunkt“ zeigt der 1959 geborene Hamburger Ruprecht Matthies solche ornamenthaften Farbwucherungen, neue Ölbilder und erstmals aus klarem Acrylglas fein gesägte Figurenköpfe. Diese zu Gruppen zusammengesteckten, dreidimensionalen Comicfiguren namens Minnas und Fuzzies entwickelten sich aus der Zusammenarbeit in einem Projekt mit Jugendlichen in Neuruppin (Brandenburg). Diese haben übrigens, wie Matthies berichtete, noch die hübsche Idee, dass Künstler Menschen seien, die dafür stehen, dass sie alles machen dürfen, was sie möchten. Und die technisch schwierig erstellten, geradezu grotesk ungewöhnlichen Köpfe mögen ein formaler Widerhall solch freischwebender Fantasie sein.
In der Ausstellung tauchen auch die für Matthies seit längerem typischen, knuffeligen und blubberigen Buchstabenschriften auf. Ein Bild besteht aus den Wörtern: SOLE, MARE, DONNE, CASINO, PAS-TA, VINO. Dies Bild wurde in digitaler Übertragung zu einem Teppich verarbeitet und in Siena ausgestellt: Ein im netten Mantel des Ornaments daherkommender Kommentar zu den Italienklischees der Touristen.
Solche Klischees mag Rupprecht Matthies gar nicht. Und Fragen nach einer partiellen Ähnlichkeit mit den Formentwürfen von Matisse kommentiert der Künstler in Anspielung auf die Lautähnlichkeit seines Namens mit dem des französischen Meisters: „Nomen est Omen“. Seine Leich-tigkeit im Umgang mit Vorbildern zeigt auch folgender Satz: „Handele stets so, dass sich die Anzahl der Möglichkeiten erhöht und behalte deine Empfindsamkeit“ paraphrasiert Matthies die Maximenherrlichkeit Kants – und das ist doch heutzutage recht aufmunternd.
Hajo Schiff
bis 1. Januar 2002, Hamburger Kunsthalle; Broschüre zur Ausstellung: fünf Mark
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