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CDU: Scherfs Muslim-Politik „naiv“

■ „Schläfer tauchen nur dort auf, wo politische Schlafmützen unterwegs sind“ – sagt Ex-Senator Borttscheller (CDU) nach Bürgermeister-Lob in Milli Görüs nahe stehender Zeitung

Die Bremer CDU kritisiert den Versöhnungskurs von Bürgermeister Henning Scherf (SPD) gegenüber den Muslimen. „Schläfer tauchen nur dort auf, wo auch politische Schlafmützen unterwegs sind“, sagte Ex-Innensenator Ralf Borttscheller (CDU), nachdem gestern Scherf-freundliche Artikel in türkischen Zeitungen bekannt wurden. Die türkische Zeitung Milli Gazete, die der in Bremen unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehenden Organisation „Milli Görüs“ nahe steht, hatte dem Bürgermeister am 5. Oktober einen Aufmacher gewidmet.

„DANKE, HERR SCHERF“, titelt das Blatt in Riesenlettern eine Geschichte über den Bürgermeister-Besuch in neun Bremer Moscheen, auch der Gröpelinger Fatih-Moschee. Das größte islamische Gotteshaus in Norddeutschland ist eine Einrichtung von „Milli Görüs“. Scherfs Besuch wird als „beispielhaft“ gewürdigt. „Nach den Terroranschlägen gibt es in Europa unberechtigterweise Anschuldigungen gegen den Islam“, schreibt Milli Gazete. „Aber es gibt deutsche Politiker, die versuchen, das Klima zu entschärfen“. Henning Scherf sei einer davon. Artikel ähnlichen Inhalts erschienen in den türkischen Zeitungen Hürriyet und Türkses. Die Süddeutsche Zeitung kommentierte, so viel Lob „bringen selbst die loyalen Lokalblätter nicht zustande.“

Milli Gazete wird wegen ihrer Nähe zu „Milli Görüs“ eifrig vom Verfassungsschutz studiert. Das Blatt mit Hauptsitz in Istanbul, das in Frankfurt eine Ausgabe für Europa produziert, hatte zudem Kommentare mit antisemitischem Inhalt veröffentlicht.

Vielen in der Bremer CDU ist Scherfs Nähe zu den mutmaßlichen Extremisten ein Dorn im Auge. Innensenator Kuno Böse kommentierte vielsagend: „Kein Kommentar.“ Immerhin hatte der ihm unterstellte Bremer Verfassungsschutz in einem internen Bericht bemerkt, nach den Anschlägen in den USA habe im „inneren Zirkel“ der Fatih-Moschee „unverhohlene Freude“ geherrscht. CDU-Fraktionschef Jens Eckhoff findet deshalb Scherfs Umgang mit Milli Görüs „naiv. Der Bürgermeister muss sich überlegen, ob die öffentliche Handreichung Sinn macht. Es gibt auch gemäßigtere islamische Gemeinden in Bremen.“ Scherfs niedersächsischer Kollege Sigmar Gabriel (SPD) hatte seinen Innenminister vergangene Woche angewiesen, ein Verbot von „Milli Görüs“ vorzubereiten.

Scherf steht hingegen weiter „voll und ganz“ zu seinen Kontakten mit „Milli Görüs“-Leuten, betont Sprecher Klaus Schloesser. Scherf kenne viele der hiesigen 900 Anhänger seit langem, „kein Ministerpräsident hat sich so mit den Muslimen befasst wie Scherf“, betont Helmut Hafner, in der Senatskanzlei für religiöse Angelegenheiten zuständig. „Wir sind kein blindes Huhn, das Extremisten aufsitzt.“ Auch Abdulkerim Sari, Vorstandsmitglied der Islamischen Föderation Bremen, findet die Vorwürfe absurd: „Ich verstehe nicht, warum diese positiven Berichte zu Problemen führen. Vielmehr fühlen sich die Türken in Deutschland dadurch integriert.“

Ralf Borttscheller bleibt bei seiner ablehnenden Meinung zu „Milli Görüs“: „Scherf lügt sich in die eigene Tasche: Er soll ernst nehmen, was der Verfassungsschutz berichtet – dafür ist er da.“ In seiner Zeit als Innensenator hatte Borttscheller mit markigen Worten gegen „Milli Görüs“ die Diskussion um die Organisation angeheizt. Borttscheller: „Ich habe die Predigten in der Fatih-Moschee regelmäßig vom Verfassungsschutz checken lassen. Wenn die Journalisten nicht da waren, haben sie Scharfmacher aus der Türkei eingeflogen. Das ist der Nährboden, auf dem Gewalt wächst.“ Borttschellers Rat an Scherf: „Natürlich soll er die Muslime integrieren. Aber: Den Bruderkuss von allen anzunehmen, wäre blauäugig.“ Kai Schöneberg

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