: Nicht in Selbstzensur verfallen
betr.: „Wahrheit und Propaganda“ (Radio Free Afghanistan), taz vom 8. 10. 01
Der Beitrag enthält einen gravierenden Fehler und lässt einen nicht uninteressanten Aspekt völlig unberücksichtigt. Die erwähnte Kurzwelle ca. 7.085 kHz wird keineswegs von einem Sender der Nordallianz belegt, vielmehr strahlte dort bis Sonntagabend der Taliban-Staatsfunk aus Kabul seine Programme aus. Seitdem ist er verstummt; ob nach dem bewährten Vorbild des Kosovokrieges die Sendeanlagen gezielt bombardiert und zerstört wurden ist, meines Wissens bislang nicht zuverlässig bekannt.
Der unberücksichtigte Aspekt: Wie nur unter „ferner liefen“ erwähnt wird, bietet auch die Voice of America (VOA) Programme für Afghanistan, die übrigens nach eigenen Angaben der VOA 80 Prozent der dortigen Rundfunkhörer erreichen. Die VOA gerät gegenwärtig unter Druck, als Sprachrohr der US-Regierung zu agieren, was nicht verwundert, wenn man weiß, wie sich der gemeldete Zensurfall bei der VOA weiterentwickelte: Die Verantwortlichen entschieden, sich über den Einspruch des State Departments hinwegzusetzen und den von ihm beanstandeten Beitrag einige Tage später ausstrahlen zu lassen; der Nachrichtenchef der VOA schrieb im Nachgang von einem „völlig inakzeptablen Angriff auf die redaktionelle Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit der Voice of America“ und forderte seine Mitarbeiter ausdrücklich auf, nicht in Selbstzensur zu verfallen. Die Frage, warum es eigentlich für erforderlich gehalten wird, neben der Voice of America überhaupt weitere von der US-Regierung finanzierte Auslandssender zu betreiben, erscheint vor diesem Hintergrund in einem völlig neuen Licht. In den letzten Tagen wurden in den USA bereits Stimmen laut, die gerade auch angesichts des erwähnten Zensurvorfalls bei der VOA vor der Gefahr warnten, in der aktuellen Situation könnten jene Grundwerte geopfert werden, deren Verteidigung die US-Regierung als Ziel angibt und die nach meinem Eindruck von vielen US-Bürgern wesentlich stärker verinnerlicht werden, als es hierzulande der Fall zu sein pflegt.
KAI LUDWIG, Elsterwerda
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