: Keine verschnörkelten Schönheiten
■ Eine Ausstellung im Design Zentrum Bremen zeigt das bisherige Lebenswerk des Bremer Designer-Ehepaars Ulrike und Detlef Rahe Vom Löffel bis zum Uni Campus, vom Rollstuhl bis zum Firmenlogo, vom Konferenztisch zum Mikroskop
Wer kennt sie nicht, die großen weißen Schilder mit rotem Pferdekopf, die dem Reisenden ein fröhliches „moin, moin,... Niedersachsen“ entgegenwerfen, kaum dass man Bremen per Auto verlässt. Eckig und nur in Umrissen ist der rote Pferdekopf dargestellt. „Welcome“ steht auch noch drauf. Modern eben. Trotzdem traditionell und weltoffen. So ist Niedersachsen – laut Plakat.
Und so funktioniert Design: das optische Aufmöbeln eines angestaubten Images. Das alte Wahrzeichen Niedersachsens – das war lange ein alter Kleppergaul, der sich mit viel Mühe aufbäumte. Das ist heute out, fanden auch Ulrike und Detlef Rahe. Sie haben 1997 das Symbol aufgepeppt. Die visuelle Kommunikation ist aber nur eine Seite des weitgefassten Einsatzbereichs der Designer.
Was noch so alles dazugehört, zeigt derzeit die Ausstellung „designstationen – vom Löffel bis zur Stadt“ im Wilhelm Wagenfeld Haus.
Das Ehepaar Rahe kam 1998 nach Bremen. Ulrike, die in Bremen aufgewachsen ist, und Detlef: Gemeinsam in Schwäbisch Gmünd und Göteborg studiert, sie lehrt an der Fachhochschule Hildesheim, er an der Hochschule für Künste Bremen. Ein gemeinsames Design-Büro, unterschiedlichste Aufträge. „Wir sind darauf spezialisiert, nicht spezialisiert zu sein“, beschreibt Detlef Rahe die Projekte des Büros. Im Wilhelm Wagenfeld Haus sind 50 bis 60 ihrer Projekte der letzten 15 Jahre ausgestellt.
Auf den ersten Blick wirkt die Ausstellung unspektakulär – in den Schaukästen ist Besteck ausgestellt, Briefpapier mit unterschiedlichen Firmenlogos, im Erdgeschoss stehen Gebäudemodelle, ein Mikroskop, ein Fahrzeugsitz. Schick! Aha – das alles entwerfen also Designer.
Doch jedes Stück der Ausstellung birgt in sich eine kleine oder große Innovation, die das Leben leichter macht und das Auge erfreut. Eine Fusion von angewandter und bildender Kunst.
Beispiel Konferenztisch: Leicht muss er sein, damit die Sekretärin ihn schnell aufbauen kann, und stabil, damit sie sich auch mal drauf ausruhen kann. Die Lösung dafür haben sich Ulrike und Detlef Rahe aus dem Flugzeugbau abgeschaut: Glasfasermaterialien, Wabenstruktur und Aluminium. „So leicht wie umbaute Luft“, beschreibt Ulrike Rahe das Ergebnis.
Für das Küchenprogramm „Dessau No.1“ haben Rahe+Rahe den Bundespreis für Produktdesign bekommen. Die Knöpfe des Gasherds sind nicht linear angeordnet, sondern im Viereck genau passend zu den Platten.
Und das schwer zu reinigende Metall unter den Gasaufsätzen ist durch Glas ersetzt. Praktisch! Um das Luxusimage des Nobelküchenausstatters nicht zu gefährden, produziert die Firma bisher allerdings nur das graue Modell des Herds. Auf der Ausstellung sind auch die bunten Varianten zu sehen.
„Human purism“ nennt das Ehepaar seine Designideologie: an den Bedürfnissen des Kunden orientiert und so rein, dass man nichts mehr wegnehmen kann, ohne das Ergebnis zu verschlechtern.
Eine Studienarbeit der Beiden ist auch ausgestellt. „Unsere Kommilitonen fanden es damals furchtbar“, erzählt Ulrike Rahe. „1987 machten eben alle auf Postmoderne.“ Das elektronische Lichtmikroskop ist wahrhaftig keine Schönheit – ein riesiger grauer Kasten mit Guckloch. Aber alle Blenden und Filter, die ein Biologe so braucht, sind im Gehäuse eingebaut. Und die Knöpfe sind blind bedienbar. So verbringt der Biologe seine kostbare Zeit vor dem Mikroskop, anstatt mit dem ständigen Auswechseln von Blenden.
Auch heute verlässt kein Produkt das Designerbüro, ohne dass beide damit zufrieden sind. „Einer ist immer Projektleiter und der andere pfuscht da immer rein“, witzelt Ulrike über die Arbeitsweise.
Eines der Königsprojekte ist natürlich die Neugestaltung des Uni-Campus in Dessau. Detlef hat gemeinsam mit einem Dessauer Kollegen am Wettbewerb zur städtebaulichen und architektonischen Gestaltung teilgenommen – und den Wettbewerb gewonnen. Im Wilhelm Wagenfeld Haus kann man das Originalmodell des Campus und zum Beispiel die neuen Mensabänke bewundern. Dieses Jahr war Eröffnung.
Die Ausstellung zeigt ein breites Spektrum der Arbeit von Ulrike und Detlef Rahe. Etwas Zeit ist allerdings schon nötig, um den Trick jedes einzelnen Stücks zu verstehen. Zum Beispiel der Rollstuhl, der mit wenigen Handgriffen vom Sportgerät zum Ausgehrollstuhl fürs Theater umfunktioniert werden kann.
Ulrike und Detlef Rahe sind beide 37 Jahre alt und mischen im internationalen Design-Geschäft mit. In Bremen haben die beiden das Innere des Atlantis-Hotel und das Café Freitag gestaltet. Und es gibt weitere Projekte: Ein Traum von Detlef wäre es, die Trikots von Werder Bremen neu zu designen. Britta Schatz
Die Ausstellung „designstationen“ ist vom 18. Oktober bis 6. Januar 2002 im Design Zentrum im Wilhelm Wagenfeld Haus zu sehen.
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