: Räumliche Auswahl
„Neue afrikanische Kunst – Sammlung Péus“ im Museum für Völkerkunde ■ Von Hajo Schiff
Wenn die Künstler in Paris, London, New York oder Berlin leben, dann kommt Kunst mit afrikanischem Hintergrund im hiesigen Kunstbetrieb schon vor. Doch Kunst aus Afrika selbst steht jenseits der Biennalen immer noch so am Rande des aktuellen Kunstdiskurses, dass jede Ausstellung, die nicht von geschnitzten Masken handelt, etwas Besonderes ist. Dabei gibt es in Hamburg eine weit über eintausend Arbeiten umfassende Kunstsammlung neuerer afrikanischer Kunst. Der Journalist Gunter Péus hat sie seit 1969 zusammengetragen, als er in Nairobi für das ZDF das erste deutsche Fernsehstudio aufbaute.
Den ersten Teil einer Auswahl daraus zeigt jetzt das Museum für Völkerkunde. Es sind vorwiegend Bilder aus Ghana, Kenia, Mosambik, Nigeria und Sambia sowie Skulpturen der Makonde. Dabei vermitteln die bekannten Friseurschilder oder die politischen Erzählbilder der Schildermaler viel vom afrikanischen Alltag. Die Schule der Quadratmaler in Tansania dagegen bedient mit ihren klar konturierten Lackmalerei von Tieren und Blumen ein eher dekoratives Afrikaklischee. Frühe Arbeiten des international bekannten Twins Seven Seven zeigen in stark verdichtetem Zeichenstil mythische Szenen, bei Rufus Ogundele und Muraina Oyelami aus Nigeria vermeinen wir in den Bildern aus den siebziger Jahren jene expressiven und kubistischen Formen wieder zu finden, die einst in Europa nicht zuletzt durch die Konfrontation mit der traditionellen afrikanischen Schnitzkunst entwickelt wurden. Ein weiterer Durchgang im Kreis kulturellen Austausches zeigt sich, wenn der Akademieprofessor Aberlade Glove aus Ghana die Wellblechdächer eines Township 1993 in ein fast abstraktes Ornament verwandelt.
Doch 1995 hat Gunter Pèus aufgehört, weiter zu sammeln. Er, der einst die neue Kunst erkannt hatte, fand die nunmehr erstellte Kunst mit ihren Installationen und Videos nicht mehr „afrikanisch“ genug. Dabei beweist sich wieder, dass jede Sammlung ein Spiegel ihres Sammlers ist – mit allen seinen Vorbehalten. Gegenüber kommerzieller „Airport-Art“ auf der einen Seite und akademischer Theorie auf der anderen Seite bevorzugt Gunter Péus eine Kunst, die – so steht es im Katalog zu lesen – von Künstlern stammt, die „noch nicht angekränkelt“ sind. Trotz solch gelegentlich seltsamer Kriterien ist diese Sammlung ein wichtiges Dokument ihrer Zeit und ein Bindeglied zwischen den Werbe- und Propagandabildern der damals jungen afrikanischen Staaten zur heute aktuellen Kunst.
So scheint eine Arbeitsteilung der Museen unvermeidlich: Einerseits die völkerkundliche Dokumentation der die Unabhängigkeitsbewegungen begleitenden Artefakte in der Völkerkunde und die neueste, am euro-amerikanischen Diskurs orientierte Kunstproduktion in den weißen Hallen der Kunstmuseen. Doch das über den Kunstbetrieb hinausgehende, notwendige kulturelle Hintergrundwissen kann im ethnologischen Museum sogar besser vermittelt werden als in Messekojen und auf der Dokumenta.
Im Katalog stellt Jean-Hubert Martin die Frage „Ist die zeitgenössische Kunst westlich?“ Martin ist seit der bahnbrechenden Ausstellung Les Magiciens de la Terre 1987 in Paris ein Fachmann für Weltkunst. Inzwischen Leiter des neuen Museum Kunstpalast in Düsseldorf, zeigt er zu dessen Eröffnung dort original geweihte Altäre aus aller Welt, um im Gegensatz zu den seit der europäischen Aufklärung vereinzelt und dekontextualisiert gezeigten Kunstprodukten Zeitgenössisches wieder in seinem weltanschaulichen Kontext zu präsentieren. Die Hamburger Ausstellung geht nicht so weit. Sie möchte aber in zeitlicher und räumlicher Auswahl Interesse wecken für eine Kunst, die schon deshalb nicht übersehen werden sollte, um ganz eigennützig nicht der Kreativität eines ganzen Kontinents verlustig zu gehen.
Neue afrikanische Kunst – Die Sammlung Péus: Museum für Völkerkunde, bis 20.01.02; Katalog: 31,29 Mark
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen