: Fußball mitten im Leben
Panathinaikos Athen fehlt heute Abend gegen Schalke 04 nur noch ein Punkt zum Einzug in die Zwischenrunde der Champions League. In ganz speziellem Ambiente soll auch der geholt werden
aus Athen TORSTEN HASELBAUER
Der griechische Fußball ist derzeit so erfolgreich und beliebt wie lange nicht mehr. Das für die gesamte Fußballwelt völlig überraschende 2:2 des Nationalteams in der WM-Qualifikation gegen England hat das Land in grelle Euphorie versetzt – und noch immer wird Otto Rehhagel, mittlerweile Teamchef der Hellenen, kräftig als Vater des Erfolgs gefeiert. Zunehmend jedoch finden die flinken Wortschöpfer der Sportzeitungen andere Superlative. Diese gelten ihren Vereinsmannschaften, die sich derzeit auf internationaler Ebene beachtlich schlagen.
Vor allem die Champions-League-Auftritte von Panathinaikos Athen haben für viel Hochachtung gesorgt – und das nicht nur im eigenen Land. In eine Gruppe mit Arsenal London, Real Mallorca und Schalke 04 gelost, gab kaum einer dem griechischen Vizemeister wirklich eine Chance auf die ersten beiden Plätze. Nun reicht heute Abend (20.45 Uhr) bereits ein Remis gegen die Schalker, um in die Zwischenrunde einzuziehen.
Wer den Erfolg der „Grünen“ ergründen will, muss sich vor allem mit dem vereinseigenen Stadion „Apostolos Nikolaidis“ befassen: Der nur für 16.000 Zuschauer erbaute kleine Platz liegt inmitten des Athener Stadtteils Ambelokipi (Rebgarten), direkt an einer großen Verbindungsstraße. Hier, im Athener Verkehrsgetümmel und urbanen Alltagsleben, werden vor allem die internationalen Panathinaikos-Spiele von den griechischen Fans als ein echtes soziales Ereignis gefeiert. Die dort selbst für griechische Verhältnisse fast einmalige Atmosphäre haben bereits Real Mallorca und Arsenal London zu spüren bekommen – durch Niederlagen. Und beide Trainer, der mittlerweile entlassene Bernd Krauss und Arsene Wenger, entschuldigten gleichermaßen die gehemmte Spielweise ihrer Elf mit dem lautstarken Tamtam im Stadion – und auf den Balkonen und Dächern drum herum, von denen aus jene Fans das Spiel verfolgen, die kein Ticket mehr ergattern konnten.
Der 1908 gegründete und eher bürgerlich geprägte Club Panathinaikos hat längst erkannt, was er an seiner traditionellen, in den 20er-Jahren erbauten Spielstätte hat. Selbst dem unentwegten Drängen der offiziellen Uefa-Beobachter, man möge doch seine Heimspiele im modernen Athener Olympiastadion austragen, geben die „Grünen“ nicht nach. „Wir brauchen die Stimmung in diesem einmaligen Stadion. Hätten wir woanders gespielt, stünden wir nicht da, wo wir jetzt stehen“, erklärt Trainer Jannis Kyrastas.
Auch gegen Schalke wird er wohl zunächst aus einer sicheren Abwehr heraus spielen lassen, die er als Viererkette zu Beginn der noch jungen griechischen Saison neu organisiert hat. Dahinter steht ein blendend aufgelegter Antonis Nikopolidis, seit dem England-Spiel Nationaltorhüter der Griechen; außerdem nominierte Rehhagel sechs weitere Spieler von Panathinaikos. Im Mittelfeld erlebt wiederum Paulo Sousa, Ex-Dortmunder und portugiesischer Auswahlspieler, seinen zweiten Frühling. Er lenkt gemeinsam mit dem Dänen Jan Michaelsen das Spiel.
Trainer Kyrastas, nunmehr im zweiten Jahr bei den „Grünen“ im Amt, ist es beachtlich schnell gelungen, aus internationalen Stars und griechischen Eigengewächsen ein homogenes Team zu formen. Dabei gefällt Kyrastas der Öffentlichkeit mit seinem analytisch-gelassenen Stil und den Spielern durch seine kreativen Impulse in Sachen Spielgestaltung. Mit dem modernen und direkten Fußball, zu dem Panathinaikos dadurch gefunden hat, ist gleichzeitig der Erfolgsdruck auf das Team enorm gestiegen. Viele Fußballanhänger in ganz Griechenland hoffen, dass die Zeit von Olympiakos Piräus vorbei ist und Panathinaikos endlich mal wieder die griechische Nationalliga gewinnen kann. Die Hafenstädter aus Piräus haben nunmehr fünfmal in Folge den Titel geholt, doch damit nicht genug: Die Fangemeinde der Rot-Weißen feierte im Juni nicht nur den Meistertitel ihrer Kicker, sondern auch die des Volleyballteams und der Wasserballmannschaft.
Zumindest auf internationalem Parket aber hinterließ Panathinaikos stets einen besseren Eindruck. Ältere Athener Fans träumen deshalb schon wieder von den glorreichen Zeiten, als die „Grünen“ unter dem ungarischen Trainer Ferenc Puskas 1971 im Europapokal der Landesmeister erst im Finale Ajax Amsterdam unterlagen. Trainer Jannis Kyrastas indes denkt so weit noch nicht. Nach dem Spiel gegen Schalke warten erst mal OFI Kreta und andere griechische Provinzclubs auf sein Team.
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